Pfr. Dr. Michael Pfann

Aus dem Riesengebirge berichtet Pfarrer Dr. Michael Pfann von den Erfahrungen als junger Pfarrer, der nach Studium und Promotion seine erste Gemeinde übernommen hat. Und dann kam Corona…

„Als die Pandemie in Tschechien ausbrach, reagierte die Regierung zwar chaotisch aber ziemlich schnell. Es gab nicht viele Infizierte. Aber das Leben der ganzen Gesellschaft blieb stehen. Das betraf auch die Kirche und unsere Gemeinde in Vrchlabí (Hohenelbe) im Riesengebirge. Weder Gemeindetreffen noch Gottesdienste fanden statt. 

In den ersten Tagen nahmen wir Kontakt mit der Hohenelber Diakonie auf. Es ging vor allem um den Einkauf für die ältere Mitbürger, die zu Hause bleiben sollten. Am Ende gab es aber mehr Menschen, die helfen wollten, als Bedarf. Da wir in unserer Region eine sehr niedrige Anzahl an Kranken hatten, blieben die Menschen ziemlich ruhig und deswegen auch selbständig. Fast jeder nähte zu Hause Mundschutze. In Tschechien galt von Anfang an eine Maskenpflicht. Sie waren Mangelware besonders in den Krankenhäusern und noch mehr in sozialen Einrichtungen. Auch die Diakonie sammelte und verteilte Mundschutze. Die Welle der Solidarität in der ganzen Gesellschaft war erstaunlich. Die Kirche und unsere Gemeinde haben intensiv mitgearbeitet.

Das Leben der Gemeinde stoppte für zwei Monate. Es war für mich eine komische Situation, da ich erst zwei Monate vor der Pandemie meinen Dienst dort begonnen hatte. Ich war noch dabei, die Gemeindeglieder kennenzulernen und plötzlich konnten wir uns nicht mehr treffen. Aber die Krise stärkt auch. Es hat das Kennenlernen mit dem Gemeindekern beschleunigt – oft per Telefon. Sie vertiefte auch die Zusammenarbeit mit der Diakonie. Ich bemühte mich, immer den Kontakt mit der Gemeinde zu halten. 

Wir verbanden uns auch mit zwei Nachbargemeinden, mit denen wir auch sonst enger zusammenarbeiten. Jeden Sonntag bereitete je einer von uns drei Pfarrern den Gottesdienst schriftlich  vor. Wir versandten die Predigt per Email oder warfen sie in die Briefkästen der Gemeindeglieder. Einige feierten zu Hause einen eigenen Gottesdienst, beteten, sangen Lieder usw. Jeden Tag bis  Ostern nahm ich ein Kapitel des Buches „Es wird erzählt – Markus und Matthäus“ von dem holländischen Theologen Nico ter Linden auf. Viele Menschen hörten die Aufnahmen im Internet. 

Eine Herausforderung war Ostern. Niemand konnte sich vorher Ostern ohne Kirche vorstellen. Wir setzten uns mit der Frage des Abendmahls auseinander und fanden eine unorthodoxe und vielleicht theologisch auch strittige Lösung. Aber außergewöhnliche Situationen fordern außergewöhnliche Lösungen… Wir luden die Gemeindeglieder ein, im Familienkreis eine Agape zu feiern. Ich erstellte dazu eine einfache Liturgie, wo der Gottesdienst in das gemeinsame Essen übergehen sollte. Die Agape sollte das Abendmahl nicht ersetzen, sondern die Gewissheit stärken, dass die Verbundenheit im Geist die physische Distanz überwindet. Und eine alte Dame, die allein gewesen wäre, habe ich trotz der Einschränkungen besucht und mit ihr Gottesdienst und Agape gefeiert. Das war berührend. 

Gottesdienste ab Mai 

Anfang Mai, nach zwei Monaten, kamen die ersten Lockerungen. Der Gottesdienst mit maximal 15 Teilnehmern mit Mundschutz und Handdesinfektion durfte wieder stattfinden. Mit Mundschutz zu predigen, ähnelt einem Marathonlauf… Erst feierten wir zwei Gottesdienste pro Sonntag, damit alle kommen konnten. Als wir dann endlich zusammen feiern konnten, war es eine große Freude. 

Die Gottesdienstteilnehmerzahl wuchs langsam nach meinem Amtsantritt im Januar von etwa 20 auf 30. 

Nun läuft vieles wieder wie früher. Sogar das Gemeindeferienlager für Kinder fand statt ohne jede Beschränkung. Nur die Kirchenkonferenz in Paris, an der ich teilnehmen sollte, wurde aufs nächste Jahr verschoben. Ich denke, dass uns die Krise enger miteinander verbunden hat. Sie brachte auch neue Impulse, die wir noch weiter verarbeiten müssen.“