Besuch mit ev. Theologiestudierenden in Wien

„180 Jahre haben die Evangelischen ohne das Sakrament des Heiligen Abendmahles in beiderlei Gestalt gelebt,“ erzählt Bischof Michael Chalupka von der Evangelischen Kirche A.+H.B. in Österreich. „Warum sollten wir nicht die überschaubare Coronazeit mit einem Abendmahlsfasten überstehen?“ Das war die Entscheidung der evangelischen Kirche als die Frage aufkam, wie man das Sakrament des Altars mit Leben füllen kann in der Coronazeit. „Damals hatten  die Menschen zur Zeit des Geheimprotestantismus und der brutalen Verfolgung der Evangelischen zur Zeit Zeit der Gegenreformation keine Chance, sich öffentlich zu ihrem evangelischen Glauben zu bekennen und die Sakramente öffentlich zu empfangen.“ Die Kirche konnte an diese Erfahrung anknüpfen.

Lebendig berichtete Bischof Chalupka bei einem Treffen mit evangelischen Studierenden aus Tübingen, Heidelberg, Mainz, Berlin und Leipzig von der Situation der Evangelischen in Österreich. „Wir sind schon lange dort, wo ihr in Deutschland noch hinkommt! Wir leben Diaspora und verstehen uns als Kirche, die ausgestreut ist in eine Welt, die immer säkularer wird,“ sagt er. „Wir können als Kirche egal wie groß wir sind etwas tun!“ Für Österreich spiele die Diakonie eine große Rolle, um in Freiheit Verantwortung zu übernehmen. Über 9.000 Mitarbeitenden habe die Diakonie der Kirche und gehört damit zu den größten Wohlfahrtsverbänden des Landes – trotz der Minderheitssituation der Kirche.  U.a. kümmere man sich derzeit um Vermittlung der ukrainischen Geflüchteten derzeit in Privatquartiere, um Rechtsbeistand und Beratung. 60.000 Ukrainer:innen halten sich derzeit in Österreich auf.

Ca . 265.000 Gemeindemitglieder gehören in 191 Gemeinden zur Evangelischen Kirche A.+H.B. 164 Pfarrer und 81 Pfarrerinnen betreuen die Gemeinden. 

Die Kirche hat eine spannende Geschichte hinter sich. Gehörten in der Reformationszeit ca. 95% der Österreicher zum evangelischen Glauben, so begann mit der Gegenreformation eine zum Teil sehr brutale Verfolgung. Diese Geschichte gehört zur Identität der Kirche. 180 Jahre lebten die Gemeinden ohne geistliche Begleitung im Untergrund ehe sie 1781 mit dem Toleranzpatent Joseph II. wieder als Gemeinden existieren konnten.

Es ist schmerzhaft, dass den Evangelischen der Karfreitag als Feiertag weggenommen wurde per Gesetz. 1956 wurde ihnen dieser Feiertag zuerkannt in Erinnerung an die Verfolgungszeit. Durch eine Urteil des Europäischen Gerichtshofes musste dieser Feiertag gestrichen werden, um eventuelle Diskriminierungen zu verhindern. Nun aber wird eine Minderheit diskriminiert… – wie das ausgehen wird…? Für die Kirche ist das eine offene Wunde.