Anna Vinatzer ist Vikarin in Wien-Floridsdorf. Ursprünglich katholisch und in Italien geboren studierte sie zunächst katholische Religionspädagogik und arbeitete als Lehrerin, merkte aber schnell, dass die restriktive Moral der katholischen Kirche für sie nicht stimmig war. So entschloss sie sich schließlich, zu konvertieren und Evangelische Theologie zu studieren. Da es in Italien keine lutherische Ausbildungsstätte gibt, ging sie zum Studium nach Wien und später für ein Jahr als GAW-Stipendiatin nach Leipzig. Sie schreibt uns:

„Eigentlich hatte ich mir
meinen Wiedereinstieg diesen April nach meiner Elternzeit etwas anders vorgestellt.
Da gibt es eine lange To-Learn-Liste, die ich in diesen letzten Monaten meines
Vikariats noch abarbeiten wollte. Und eigentlich hatte ich mich darauf schon
gefreut. Aber wie so oft, kommt alles anders. 

Das Coronavirus hat unser
evangelisches Gemeindeleben hier in Österreich ziemlich ausgebremst. Zeitweise
wurden Gottesdienste sogar verboten. Im Moment dürfen sie nur mit strengen
Auflagen durchgeführt werden. Trotzdem häufen sich im Moment bei uns die Fälle,
in denen die Corona-Cluster ihren Ursprung in Kirchen und
Glaubensgemeinschaften haben. 

Die Evangelische Kirche in Österreich
veröffentlicht fast wöchentlich neue Maßnahmenkataloge, um die Gefahr zu bannen.
Arbeitskommissionen bilden sich, um Ratschläge für Abendmahlfeiern u.ä. zu
erarbeiten. Jetzt schon bespreche ich mit meinen Kollegen, wie sich alternative
Weihnachts- und Reformationstagsgottesdienste gestalten können, um die
„full-house-Gottesdienste“ unserer Gemeinde in Wien-Floridsdorf, gefahrenlos
über die Bühne zu bringen. Kurzum, wenn ich z.Z. an Gottesdienst denke, fallen
mir beinahe nur noch Begriffe wie Gefahr, Risikogruppe, Cluster und
Hygienemaßnahmen ein. Aber eine Krise birgt auch immer neue Möglichkeiten. 

Unsere Kirche begibt sich gerade auf die Suche nach neuen, kreativen Formen der
Seelsorge und der Gottesdienste, um trotz der räumlichen Distanz nahe bei den
Menschen zu sein. So werden z.B. gemeindepädagogische Angebote digitalisiert, Gottesdienste
und Besprechungen weichen auf Online-Kommunikationsdienste aus und die
Büroarbeit wird im Homeoffice erledigt. Außerdem entdecken wir gerade die Sozialen
Medien für uns! 

Ich erwische mich in letzter Zeit immer wieder dabei, auf den
Internetseiten der deutschen Landeskirchen nach Inspiration und Ideen zu
fischen. Klingt alles ganz easy, ist aber ganz schön eine Herausforderung für
eine Kirche, die vor der Umstellung auf onlin  eher vorsichtig war im Umgang
mit digitalen Medien. Aber genau deshalb sehe ich in dieser Krise eine Chance,
um als Kirche experimentierfreudiger zu werden. Es ist die Gelegenheit, ein
Gespür dafür zu bekommen, wen wir jenseits von unseren Gottesdiensten vor Ort
online erreichen und in unsere Gemeinschaft mit einbeziehen können und wie wir
Angebote für die junge „digitale“ Generation von Christen zu schaffen können.“