Pastor Hugo E. Silva

Pastor Hugo E. Silva aus dem Süden Chiles von der Iglesia Luterana de Chile (ILCH) berichtet aus seinen pastoralen Erfahrungen der letzten Monate, seinen Beobachtungen und seinen Sorgen im Blick auf die Folgen der Coronakrise in seinem Land:

„Seltsame Zeiten sind das derzeit. Wie in einem Science-Fiction-Film – nur: die Fiktion ist durch die Realität übertroffen worden. Als ich selbst im Dezember von der Existenz des Cornavirus in China erfuhr, da dachte ich es wäre sehr weit weg von unserem Leben im Süden Chiles. 

Im Januar und Februar war es noch ruhig. Aber wir spürten, dass die Krankheit immer näher an Chile heranrückte. Die Welt ist in den vergangenen Jahren enger zusammengerückt – in allem, eben auch in der Bedrohung. Im März wurde dann in Chile der erste Fall bekannt… Ab Mitte März begann dann die Quarantäne mit allen Auflagen, Einschränkungen und Eingriffen in das täglich gewohnte Leben. Anfangs dachten wir, es wäre ein willkommener Kurzurlaub. Viele nutzten die Zeit, um z.B. ihre Häuser zu renovieren. In den Baumärkten wurden sehr gute Umsätze in der Zeit gemacht. Dann nahmen die Infektionen zu. Es gab die ersten Toten. Menschen verloren ihre Arbeit und bangten um ihre Existenz. Im Mai verschlechterte sich dann in Chile die wirtschaftliche Situation. Da wurde uns allen bewusst, dass es nicht mehr so werden würde wie vorher. 

Parallel gab es dazu ein Phänomen, dass Menschen die Heftigkeit des Coronavirus bestritten, in kleinen oder größeren Gruppen feierten und den Hygieneanordnungen nicht folgten. Das verschlimmerte zusätzlich die Situation im Land. 

In meiner Gemeinde (Llanquihue und Nueva Braunau) im Süden Chiles, die landwirtschaftlich geprägt ist, ging das Leben einigermaßen weiter. Die Landwirtschaft wird von den Behörden als systemrelevant eingestuft. Man muss weiterarbeiten. Die Arbeit nahm nun eher zu. Gleichzeitig sind die Menschen meiner Gemeinde sehr diszipliniert gewesen und sind es noch. Nur: Das kirchliche Leben konnten wir nicht aufrecht erhalten. Wir mussten uns anpassen. Predigten haben wir sonntags per WhatsApp und E-Mail an die Mitglieder verschickt, vermehrt haben wir auch telefoniert. Ich hatte zum Glück bisher nur eine Beerdigung unter strengen sanitären Sicherheitsmaßnahmen. 

Im Juni und Juli haben sich dann die Probleme verschärft. Ohnmächtig fühlen sich viele bei uns, weil es so schwer ist, die Pandemie zu bekämpfen. Es gab nun viele Entlassungen im Land. Man spricht von 600 bis 800.000 Menschen, die ihre Arbeit verloren haben. Es werden wohl bald zwei Millionen Arbeitslose geben. Wie sollen viele von ihnen leben und überleben? Denn viele sind auf Hilfe angewiesen. 

Unsere Gemeinde sammelt, um Lebensmittelpakete in Armenvierteln zu verteilen. Als Pfarrer kümmere ich mich mit um die Verteilung. Sorge bereitet uns in Chile, die sozialen Folgen der Pandemie. Sorgen bereiten mir die Folgen der Quarantäne. Es gibt eine Zunahme der Gewalt gegen Frauen, Kinder und ältere Menschen. 

Wir hoffen, dass der Glaube den Menschen hilft, diese Zeit zu überstehen, dass die Menschen umkehren und auch die Zeit vor der Pandemie kritisch reflektieren und Konsequenzen ziehen zum Guten hin. 

Euch im GAW grüße ich ganz herzlich aus dem Süden Chiles und danke für eure Solidarität! Ich erinnere mich sehr gerne an die schöne Zeit in Leipzig 2009/2010!“