Man hat meist vorgefertigte Vorstellungen auf Reisen – über das Wetter, das Land, die Leute. Um es vorweg zu nehmen: Das Wetter in Chile war viel kälter als in meiner Vorstellung. Auch unsere Gastgeber waren anders, als mein Bild von ihnen – aber im positiven Sinne.

Wir waren die ersten zwei Tage unserer Reise Gäste der Iglesia Luterana de Chile, der ILCH. Sie ist eine der beiden lutherischen Kirchen in Chile. Grob gesagt war mein Bild von dieser Kirche: Sie ist die größere, die „deutschere“, die konservativere und und und.
Nun ist aber Deutschland 10 000 Kilometer entfernt und über diese lange Strecke bekommen wir nicht alles mit, besonders die Veränderungen, die leise vonstatten gehen.
Die ILCH ist nämlich inzwischen eine sehr spanischsprachige Kirche geworden. In keinem Gemeindehaus, wo wir waren, haben wir ein Gemeindeblatt in deutscher Sprache entdeckt. Nicht mal ein zweisprachiges: Alles auf Spanisch. Die Gemeindeglieder sprechen, wenn sie nicht gerade Gäste aus Deutschland in ihrem Kreis haben, Spanisch miteinander. Es gibt ein fröhliches Durcheinander und Miteinander der beiden Sprachen.

Auch der Wunsch, die Spaltung von der anderen lutherischen Kirche zu überwinden, wirkt echt und überzeugend. Vertreter verschiedener Gemeinden, sowohl Pfarrer als auch Laien, sprechen das Thema von sich aus an, ohne danach gefragt zu werden. Es scheint einfach „dran“ zu sein.
Es wird ein schwieriger Weg werden bis 2014 – so der angedachte Termin für die Vereinigung. Die Kirchen haben sich in den über 30 Jahren ihrer Trennung auseinander entwickelt, unterschiedliche soziale Schichten angesprochen, unterschiedliche Strukturen geschaffen, unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte gesetzt. Nun kommt es sehr darauf an, wie man mit diesen Unterschieden umgeht – sind sie ein Hindernis oder eine Schatztruhe, aus der man mit beiden Händen schöpfen kann?

Ich habe Bischof Rolando Holtz beim Abschied versprochen, dass ich in Deutschland und im Gustav-Adolf-Werk unsere Freunde anregen werde, sich die ILCH neu und aufmerksam anzuschauen. Sie ist nicht mehr die ILCH, die sie noch vor wenigen Jahren war. Sie ist eine Kirche, die sich auf den Weg gemacht hat.