Es sind Bilder wie aus dem Zweiten Weltkrieg. Frauen und Kinder, Alte – und selten auch Männer – auf der Flucht. Mittendrin und rundherum beherzte Helfer, die sich bemühen, das Leid mindestens ein wenig zu mildern. Aber wer kann das schon? Fast 400 000 Schutzsuchende haben seit Anfang des Krieges die rumänische Grenze überquert. Stefan Cosoroabă erzählt, wie die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien ihnen hilft.

„Viele kommen mit ihrem Haustier im Arm“, berichtet Christiane Lorenz, Diakoniebeauftragte der Honterusgemeinde in Kronstadt. „Sie nehmen lieber ihre Katze mit als die nötigsten Kleider. Ich verstehe das völlig. Leben kann man nicht zurücklassen.“
Es sind Schicksale, die uns begegnen, und nicht nur statistische Daten. Es ist eine Mutter mit drei Kindern, die ihren Mann zurücklassen musste und sich an der Hoffnung festklammert, dass eine Kindheitsfreundin ihr in Prag helfen wird, es ist die Großmutter, die schon den Weltkrieg miterlebt hat, und nur noch stumm den Kopf schütteln kann. Es ist das ältere Ehepaar, das keinen Mut hat mit der sowjetischen Klapperkiste weiterzureisen, weil die grüne Versicherungskarte fehlt …

Und auf der anderen Seite ist es eine Zivilgesellschaft, die mit großer Empathie (und immer wieder auch mit Pannen) versucht, den Herausforderungen gerecht zu werden. Niemand konnte es vorhersehen, und trotzdem wurden in einem der wirtschaftlichen Schlusslichter der Europäischen Union ungeheure Ressourcen freigesetzt.

Mittendrin, die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, die wegen ihrer drastisch gesunkenen Mitgliederzahl von so manchem schon seit Jahren abgeschrieben wurde. Aber siehe, sie lebt, und hat aus den Gemeinden heraus, in Werken und zusammen mit Freunden sofort und ohne Zögern die Aufgaben angenommen, die Gott ihr vor die Füße gelegt hat. Übernachtungen in Hermannstadt, Neppendorf, Kronstadt, Wolkendorf, Michelsberg, Pruden, Seligstadt werden zur Verfügung gestellt, im Lukas-Spital von Lasseln werden Traumatisierte aufgenommen. Menschen werden von der Grenze abgeholt, Hilfstransporte an die Grenze und über die Grenze gefahren. Spontane Lerngelegenheiten für ukrainische Kinder werden in Kronstadt, Mediasch, Hermannstadt und Michelsberg organisiert.

Menschen, die weiterreisen wollen, werden zu Zügen gebracht. Freiwillige bringen Essen und Trinken auf die Bahnhöfe und helfen den Transitreisenden. Am Sonntag wird der Gottesdienst spontan übersetzt, und die Mitarbeiter stehen rund um die Uhr für Gespräche zur Verfügung. Ja, das alles machen engagierte evangelische PfarrerInnen und Gemeindeglieder, Freunde aus Vereinen und spontane Initiativen, und sie tun es jenseits ihrer klassischen Dienstbeschreibung. Es sind Zeichen des Lebens.

Zusätzlich zu alledem versucht das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien Koordination und Mittelbeschaffung zu unterstützen. Um die westlichen Regionen und Aktionen (Hermanstadt, Mediach und Mühlbach) bemüht sich Pfarrerin Bettina Kenst (bettina_kenst@yahoo.de, 0040 735 169 483) um die östlichen (Kronstadt, Schäßburg, Bukarest, Bukowina) Diakoniebeauftragte Christiane Lorenz (christiane.lorenz@biserica-neagra.ro, 0040 729 020 882). Hauptanwalt Friedrich Gunesch stellt die Verbindung zu der Kirchenzentrale her und Stefan Cosoroabă koordiniert das Notwendige. Gerne lassen sich alle ansprechen und anfragen. 

Doch die große Frage bewegt alle: Was wird sein, wenn Menschen auf unbegrenzte Zeit bei uns bleiben wollen? Oder müssen? Deshalb hat Hauptanwalt Gunesch über den Verband der Heimatortsgemeinschaften (HOG) und über die Siebenbürgische Zeitung einen Aufruf gestartet, um Wohnraum für längere Zeiträume zu identifizieren. Fühler werden ausgestreckt, um Arbeitsmöglichkeiten zu finden, juristische Fragen zu behandeln und nicht zuletzt, um Unterrichtsformen zu institutionalisieren. Wir sehen bang in die Zukunft, aber dann doch im Vertrauen auf den, der alles in seinen Händen hält.
Danke allen Engagierten, den Freunden und Partnern, die sich bislang eingesetzt haben und es auch weiterhin tun. Bitte bleibt uns treu!
(von Stefan Cosoroabă)