Pfr. Enno Haaks in der Nikolaikirche Leipzig

„Posto Occupato“/“Besetzter Platz“ – dieses
Schild zusammen mit einem roten Paar Damenschuhe fand ich im vergangenen Sommer
in einer Waldenserkirche in Venedig. Mitten in dem kleinen Kirchraum war ein
Platz freigehalten. Daneben lag ein Zettel auf dem stand, dass in der
Gottesdienst feiernden Gemeinde sicht- und spürbar an die Opfer häuslicher
Gewalt erinnert werden soll.

Das ließ mich nicht mehr los! Wie viele Plätze
müssten in unseren Kirche freigehalten oder besetzt werden für Menschen, die
nicht gesehen werden, die leiden, die sterben – ohne dass es wahrgenommen wird.

Mit der Dresdner Seenotrettungs-NGO „Mission
Lifeline“ habe ich am 5. Februar in der Leipziger Nikolaikirche ein
Friedensgebet gehalten. Es ging um die Seenotrettung von Flüchtlingen auf dem
Mittelmeer und all die Fragen und Vorwürfe um diese freiwilligen Helfer. Es wurde
besonders an die vielen Toten im Mittelmeer erinnert. Papst Franzisko hat
einmal das Mittelmeer „den größten Friedhof der Welt“ genannt. Symbolisch haben
wir in der Nikolaikirche eine Schwimmweste auf einen Platz mitten im Kirchraum
platziert, um

Der „Besetzte Platz“

damit an die vielen namenlosen Toten auf dem Mittelmeer zu
erinnern. Dazu haben wir geschrieben: „Das Mittelmeer gehört zu einer der
weltweit tödlichsten Seerouten in der Welt. Im letzten Jahr sind mehr als 2000
Menschen gestorben. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. UNHCR sagt, dass 2018
im Durchschnitt 6 Menschen pro Tag auf dem Mittelmeer gestorben sind. Viele der
Bootsunglücke werden nicht registriert, weil niemand mehr etwas davon
mitbekommt und es immer weniger Rettungen aufgrund drohender Kriminalisierung
stattfinden.“

Präses Manfred Rekowski von der Rheinischen
Landeskirche und bei der EKD für die Themen Flucht und Migration zuständig, hat
die Kriminalisierung der Seenotretter wiederholt scharf kritisiert. Das sei absurd.
„Es käme ja auch niemand auf die Idee, zu behaupten, Schwimmer riskierten in
der Nordsee ihr Leben, weil am Ufer die DLRG sitzt,“ so Rekowski. Das sei „eine
perverse Art, sich die Probleme vom Hals zu halten.“ Das sei nicht nur inhuman.
Das zerstört die zentralen europäischen Werte: die Geltung der Menschenrechte,
die Europäische Menschenrechtskonvention, die Genfer Flüchtlingskonvention. Es
ist ja keine Gnade, die den übers Meer Flüchtenden gewährt wird. Sie haben ein
Recht auf Hilfe. Auf einen sicheren Hafen.

Der „Besetzte Platz“ in der Nikolaikirche soll
in den kommenden Wochen auf dieses Recht auf Hilfe erinnern.

Die GAW-Partnerkirchen insbesondere in
Italien, Griechenland und Spanien haben sich immer wieder engagiert für die
Geflüchteten eingesetzt, Räume zur Verfügung gestellt, Soforthilfe gegeben. Sie
organisieren Sprachkurse, helfen in legalen Fragen und suchen bei der
Integration zu helfen.

Das GAW unterstützt finanziell diese Partner,
damit sie diese wertvolle und wichtige Hilfe leisten können. – Pfr. Enno Haaks