Der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider hat in einem jüngst gehaltenen Vortrag in Braunschweig zum Themenjahr des Reformationsjubiläums sich zur Leuenberger Konkordie geäußert: „Ein positives Beispiel für unsere christliche Lerngeschichte in Sachen Toleranz ist für mich das Gründungsdokument der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, die Leuenberger Konkordie von 1973. Sie feiert in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum. In ihr haben die unterschiedlichen protestantischen Kirchen – vor allem lutherische, reformierte und unierte – Kirchengemeinschaft vereinbart und sich gegenseitig Gemeinschaft an Wort und Sakrament zugesichert. Gemeinsames geduldiges Arbeiten an den vom Evangelium her zu verstehenden Grundlagen hat ein vertieftes Verstehen der eigenen und der jeweils anderen konfessionellen Bekenntnisse bewirkt. So werden die jeweiligen Besonderheiten der theologischen Überzeugungen zwar festgestellt, aber nicht mehr für „kirchentrennend“ gehalten. Für Christen und Christinnen aus verschiedenen Konfessionen lohnte sich der Weg aufeinander zu, denn die anderen Konfessionen wurden auch als eine Bereicherung für die eigene Theologie und Frömmigkeit entdeckt.

Für das GAW spielt die Leuenberger Konkordie eine wesentliche Rolle, um zu benennen, wer denn die „Glaubensgenossen“ laut des GAW-Leitwortes sind. Seit Beginn steht dieses Bibelwort aus Galater 6,10 unserer Arbeit voran. Und seit Beginn war es für das GAW wichtig, durch die gemeinsame Tat die Unterschiede im Protestantismus nicht in den Fordergrund zu stellen. Denn es geht darum, Glaubensgeschwister in Minderheitensituationen zu stärken.

Schneider sagt dann weiter zum Thema Toleranz: „In einer Duldungs-Toleranz gibt die Autorität einer Minderheit die Erlaubnis, ihren als „abweichend“ gekennzeichneten Überzeugungen gemäß zu leben, solange die Vorherrschaft der Autorität nicht in Frage gestellt wird. Duldungs-Toleranz wird gewährt, an Bedingungen geknüpft und kann widerrufen werden. In unserer normativen Rechtssetzung ist diese Erlaubnis-Konzeption noch vorhanden. Wir erleben das zurzeit zum Beispiel in der Diskussion über die gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder auch in der Debatte um die Praxis der Beschneidung. Allerdings ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass dieses Verständnis von Toleranz als Duldung nicht ausreicht, um eine moderne Gesellschaft zu befrieden, um Spaltungen zu überwinden und um Abwege in die Intoleranz zu verhindern. Da zudem auch in unserer pluralen Gesellschaft keine Religion oder Überzeugung die Position einer selbstverständlich dominierenden Haltung einnehmen kann, gewinnt eine Respekt-Toleranz mehr und mehr an Bedeutung.“

Und er schließt mit zwei Sätzen:

„Selbstbewusstes Vertrauen in eigene Glaubensüberzeugungen,  Demut gegenüber den eigenen Wahrheitserkenntnissen und Achtung gegenüber den Überzeugungen und Erkenntnissen anderer sind der Wurzelgrund einer heute dringend notwendigen Toleranz… (Und:)  Zum Zweiten gehören zur Toleranz die Demut gegenüber den eigenen Wahrheitserkenntnissen und die Achtung gegenüber den Überzeugungen und Erkenntnissen anderer.“

Der ganze Vortrag ist zu finden unter: http://www.ekd.de/vortraege/schneider/2013_01_23_schneider_reformation_und_toleranz.html