Beim LWB erschien folgender Text zum heutigen weltgebetstag, dessen liturgie aus Chile kommt:

„Es ist Freitagabend. Maria Leyton freut sich auf das Treffen am nächsten Tag. Nach dem schweren Erdbeben am 27. Februar 2010 hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Chile (IELCH) einen regelmässigen Austausch zwischen den Betroffenen in dem Viertel am Hafen von Concepción initiiert. Die Häuser hier sind klein und die Menschen, die hier leben, arm. Ein vom Erdbeben ausgelöster Tsunami hat das Viertel verwüstet. Das ACT-Bündnis, zu dessen Mitgliedern auch die IELCH und der Lutherische Weltbund (LWB) zählen, hat den am schwersten Betroffenen ein neues Haus zur Verfügung gestellt. Die LWB-Abteilung für Weltdienst (AWD) hat für die Koordination der Zusammenarbeit mit dem ACT-Bündnis einen Mitarbeiter nach Chile entsandt, der der Kirche dabei half, ein Nothilfeprogramm aufzubauen, und die Zusammenarbeit mit dem ACT-Bündnis und mit anderen Kirchen vor Ort unterstützt hat. Unter dem Motto „Den Tisch teilen“ treffen sich jeden Samstagmorgen auf Initiative der lutherischen Kirche rund 80 Familien aus dem schwer zerstörten Viertel, um über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen und über gegenseitige Hilfe nachzudenken. „Meist kommen die Frauen mit ihren Kindern“, sagt Maria Isabel Castillo Moreno. Die Sozialarbeiterin der lutherischen Kirche betont, dass sich damit auch die Rolle der Frauen in der von Männern dominierten Gesellschaft verändert habe. Und vor allem werde die Solidarität in der Gemeinde gestärkt. Die Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls in der Gemeinde funktioniert für Moreno nur über die Frauen. Maria Leyton ist eine der Frauen, die regelmässig an diesen Treffen teilnimmt. Die 54jährige alleinerziehende Mutter von drei Kindern erzählt, dass sie ohne die Hilfe der lutherischen Kirche und des ACT-Bündnisses nach dem Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami nicht zu Recht gekommen wäre. Auch ein Jahr nach der Katastrophe ist sie überwältigt und gerührt, wenn sie erzählt, wie lutherische Freiwillige als erste halfen.

Artesanía aus Chile

„Wir sind metertief in Schlamm und Unrat gewatet, die von der Flutwelle in unser Viertel gespült worden sind“, berichtet sie. „Unser Haus war völlig zerstört“, erzählt ihre18 Jahre alte Tochter Tiare Salazar Leyton. „Wir konnten uns auf einen nahegelegenen Hügel retten“, fügt sie hinzu. Und sie erzählt auch von den Fischabfällen der nahegelegen Fischfabrik, die einen schrecklichen Gestank verbreiteten. Mutter Leyton ist froh, dass sie als eine der am schwersten Betroffenen eines der provisorischen Häuser bekommen hat, die das ACT-Bündnis zur Verfügung stellte. Die Häuser sind aus einer soliden Holzkonstruktion und können zu einem dauerhaften Haus umgebaut werden. Ein Jahr nach dem Erdbeben leben in dem Viertel noch über 1.000 Menschen in Notunterkünften. Und viele andere wohnen noch immer in baufälligen Häusern, die eigentlich schon längst hätten abgerissen werden müssen. Es gibt weder fliessendes Wasser noch Elektrizität. Die Zustände in dem Viertel Santa Clara hält Vasquez Castillo, Sozialarbeiter der lutherischen Kirche für skandalös. „Das Erdbeben hat aufgedeckt, wie schwach die soziale Absicherung in Chile ist“, sagt er. Er beklagt die versteckten Folgen des Erdbebens im sozialen Bereich. Dieses „stille Erdbeben“ ist für ihn ein Langzeitproblem. Der 25-Jährige Sozialarbeiter hofft, dass das Erdbeben den Menschen die Probleme des Landes bewusster gemacht hat. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Proteste von Umweltschützern, die bisher wenig Beachtung gefunden hätten. Doch das Erdbeben hat die Kritik an den Fisch- und Papierfabriken, die die Umwelt mit Schadstoffen wie Blei und Kadmium belasten, die wiederum für Krebs und Missgeburten verantwortlich seien, bestätigt. Vom Grund des Hafenbeckens seien die Schadstoffe durch die Flutwelle an die Oberfläche gekommen. Für Castillo ist der hemmungslose Raubbau an der Natur die Schattenseite des wirtschaftlichen Erfolgs in Chile.

Auch IELCH-Pfarrer Oscar Sanhueza beklagt, dass die Regierung nach dem Erdbeben versucht habe, gegenüber der Weltöffentlichkeit das Bild eines blühenden und wirtschaftlich erfolgreichen Landes zu zeichnen. Er sieht die hohe Arbeitslosenrate in den von ihm betreuten Gemeinden mit Sorge. Der 55-Jährige, der während der Diktatur in Chile für seine Überzeugungen ins Gefängnis kam und gefoltert wurde, zieht nach einem Jahr aber auch eine positive Bilanz der von dem ACT-Bündnis geförderten Hilfsprojekte für mehrere 100 Familien, die Häuser und psychosoziale Betreuung erhielten. Das Problem der Arbeitslosigkeit würde der Pfarrer gern gezielt angehen. Er setzt dabei besonders auf die Frauen, die kleine Unternehmen gründen könnten. Dazu würde die lutherische Kirche gerne Workshops anbieten, um die Frauen zum Beispiel als Näherinnen anzulernen. Die dafür benötigen Maschinen will Pfarrer Sanhueza ihnen in dem Projekt auch zur Verfügung stellen. Für die kleinen lutherischen Gemeinden ist es jedoch schwierig, das Startkapital von rund 5.000 Euro allein aufzubringen. Einstweilen leistet der LWB durch seine Abteilung für Mission und Entwicklung (AME) auch weiterhin Hilfe beim Wiederaufbau der IELCH-Gemeinden in El Sembrador, La Trinidad und El Buen Samaritano, die von dem Erdbeben und dem Tsunami ebenfalls schwer getroffen wurden.

Die LWB/AME-Gebietsreferentin für Lateinamerika und die Karibik, Pfarrerin Patricia Cuyatti, betont, wie wichtig die Unterstützung der IELCH sei. „Sie wurde durch eine intensive und regelmässige Kommunikation mit den Kirchenleitenden, die in stressigen Notfallsituationen motiviert wurden, entwickelt. Die anderen Mitglieder der Gemeinschaft wurden eingeladen und aufgefordert, zu helfen, zu beten, unseren Schwestern und Brüdern in Chile zu schreiben und sie zu unterstützen“, erklärte Cuyatti.“