Vom 22. bis 29. Oktober 2025 reisten Pfarrer Achim Reis und Stefan Reder im Auftrag des GAW Hessen-Nassau nach Usbekistan, um die dortigen lutherischen Gemeinden zu besuchen und den Austausch zu pflegen. Von ursprünglichen Gemeinden bestehen nur noch zwei: in Taschkent (siehe separater Bericht) und in Fergana. In ihrem Bericht über Fergana beleuchten die beiden Besucher die Situation der dortigen lutherischen Gemeinde, die weiterhin von Auswanderung geprägt ist.

Behördliche Auflagen und deutsches Kulturzentrum
Predigerin Nadeschda (Nadja) Allachverdievna leitet die kleine lutherische Gemeinde in Fergana, im Stadtteil Kirguli, der nach dem Krieg vorwiegend von deportierten Deutschen und Krimtataren aufgebaut wurde. Sie trifft uns im Deutschen Kulturzentrum, direkt nach einer zweimal jährlich stattfindenden Zusammenkunft, zu der das staatliche Komitee für religiöse Angelegenheiten 30 Vertreter der Religionsgemeinschaften aus Fergana, Namangan und Andischan einbestellt. Hauptzweck dieser Treffen ist die Bekanntmachung neuer Gesetzesvorhaben und Vorschriften im Bereich der Glaubensausübung.
Das Deutsche Kulturzentrum ist im ehemaligen deutschen Kindergarten in Kirguli untergebracht. Es wird von Valentina Miller geleitet, der Vorsitzenden der Usbekistan-Deutschen in der Region. Das Zentrum wird vom BMI gefördert, wobei Veranstaltungen nur dann förderfähig sind, wenn mindestens 70 % der Teilnehmer deutsche Wurzeln nachweisen – in Buchara, wo es noch weniger Deutsche gibt, genügen 60 %. Die Gesamtzahl der Deutschen in Usbekistan ist von 40.000 (1998) auf geschätzte 6.000 gesunken, wobei weiterhin jährlich Familien auswandern.
Die Einladung, das Bethaus zu besuchen, hat Leiterin des Kulturzentrums aus Termingründen abgelehnt. Auch die parallele Ansetzung einiger Veranstaltungen des Kulturzentrums zum sonntäglichen Gottesdienst der lutherischen Gemeinde erscheint uns problematisch.
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen
Das Bethaus liegt in einer Straße, die früher nur von Deutschen bewohnt war. Heute leben hier wohlhabende Usbeken und haben die Häuser ihren Wünschen entsprechend umgebaut. Der Gottesdienst im Bethaus beginnt um 9 Uhr, um der größten Mittagshitze im Sommer zu entgehen.
Zum Gottesdienst versammelten sich 14 Frauen. Predigerin Nadja führte durch die Liturgie, bei der abwechselnd auf Russisch und Deutsch gesungen wurde. Im Zentrum der Predigt steht das Vers aus Jesaja 42,3: Das geknickte Rohr wird er nichtzerbrechen und den glimmenden Docht wir er nicht auslöschen. Inwieweit die Predigthörerinnen die Bezüge zur Ferganaer Gemeinde hergestellt haben, blieb offen. Der Gottesdienst endete mit dem Abendmahl, mit selbst gebackenen Oblaten und dem aus eigenen Trauben gekelterten Wein.
Die Heimat ist hier
Beim anschließenden Teetrinken erklärten die Teilnehmerinnen überraschend einig: Uns geht es gut. Ja, die Gemeinde ist sehr geschrumpft. Standen früher die Gottesdienstbesucher bis in den Garten, so sind es jetzt nur noch wenige, die sich regelmäßig versammeln. Dass die allermeisten Kinder und Enkel nach Russland gegangen sind, das schmerzt. Aber das Leben im Land selbst sei jetzt viel leichter als zu Beginn des Jahrtausends, auch wenn die Renten zum Teil äußerst niedrig sind. Von den Frauen, die hier sind, will keine weg: Hier ist ihre Heimat.
Predigerin Nadja führt uns durch das Gebäude und zeigt mit Stolz, was sich seit unserem letzten Besuch getan hat. Die Küche und die Garderobe sind völlig erneuert, und den vielfältigen Sicherheitsauflagen wurde Genüge getan. Die Eigeninitiative ist groß, der Zustand des Hauses ist der Gemeinde ein Herzensanliegen. Die Gemeinschaft ist klein geworden, aber sie ist nicht resigniert.
Ein ausführlicher Bericht von Achim Reis und Stefan Reder über alle Begegnungen in Usbekistan: https://www.gustav-adolf-werk.de/reisebericht-usbekistan-2025.html
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