Marina, Svetlana, Dmitri, Nina, Valeria, Oxana und Katerina stammen alle aus Schlangendorf. Auf Ukrainisch heißt der Ort Smijiwka. Er liegt in der Oblast Cherson am rechten Ufer des Flusses Dnepr, etwa 10 Kilometer östlich der Stadz Beryslaw. Als der Krieg Ende Febrar 2022 ausbrach war das Dorf schnell unter russischer Okkupation. In den ersten zwei Monaten waren noch keine russischen Soldaten im Ort. Aber die Versorgung wurde schwieriger. Es gab bald keine Lebensmittel mehr. Ursprünglich lebten 2.500 in dem Ort. 700 waren dann übrig geblieben, die neun Monate unter russischer Okkupation überlebten. Als nach zwei Monaten dann die russischen Soldaten in den Ort kamen, gingen sie von Haus zu Haus, überprüften alle. Die Zeit wurde schwerer. Soldaten haben den Bewohnern viele Dinge geklaut bis hin zu Fenstern, die sie ausgebaut und in ihre Heimat nach Sibirien geschickt haben. Als die Versorgung immer schwieriger wurde hat Nina, die Vorsitzende der lutherischen Gemeinde, zwei Mal in der Woche Brot aus der Nachbarstadt Beryslaw organisiert.
Die Besatzungszeit wurde dann immer schwieriger. Die russischen Soldaten – viele von ihnen aus Burjatien, das nördlich Mongolei liegt – tranken viel Alkohol. Mit ihren Panzern zerstörten sie die Infrastruktur des Ortes, fuhren in Häuser rein. „Wir haben viele schreckliche Dinge gesehen, die die Soldaten angerichtet haben. Diese rohe und brutale Gewalt hätten wir uns nicht vorstellen können,“ berichtet Nina mit Tränen in den Augen. Nina hat alles verloren. Ihr Haus existiert inzwischen nicht mehr. Marian hat in dem Pfarrhaus der Gemeinde gewohnt. Ein Raketentreffer hat das Haus völlig zerstört. Auch die lutherische Kirche hat etlich Raketentreffer bekommen. Es war ein der schönsten Kirchgebäuden der lutherischen Kirche (DELKU).
Am 11. November 2022 wurde das Dorf von der ukrainsichen Armee befreit. Kurz danach verließen Marina, Nina und die anderen mit ihren Familien schweren Herzens das Dorf.
70% des Dorfes sind inzwischen völlig zerstört. Bomben, Raketen und Minen haben das Land verseucht. Die Familien haben von der Landwirtschaft gelebt und ein gutes Auskommen gehabt. „Wir haben gut und in Frieden gelebt,“ sagt Nina. „Wir hoffen so sehr, dass dieser Krieg endlich in diesem Jahr aufhört. Dann wollen wir zurück und unser Dorf wieder aufbauen!“ Sie klingt fest entschlossen. Nur – ist das realistisch…? Wenige Minuten später sagt sie, dass sie erst einmal in der Region Odessa in Petrodolinsk bleiben und abwarten will. Denn – wie soll es weitergehen? Die Wasserversorgung ist extrem schwierig geworden nach der Sprengung des Kachowka-Stausees am 6. Juni 2023. Er lag am Fluss Dnipro. Es kam zu großen verheerenden Überschwemmungen und läßt die Region jetzt versteppen.
Alle Frauen haben mit ihren Männern Zuflucht auf dem Gelände der lutherischen Gemeinde in Petrodolinsk gefunden. Pastor Alexander Gross hat sie eingeladen und für die Herrichtung von Wohnraum gesorgt. Derzeit werden zwei weitere Wohncontainer errichtet, die bald für weitere zwei Familien Zuflucht bieten werden. Insgesamt wohnen schon 20 Geflüchtete auf dem Kirchengelände. Sie erhalten die Wohnungen mietfrei. Der Staat gibt den Geflüchteten eine kleine finanzielle Unterstützung, die aber kaum reicht. Ohne die Hilfe der Partner wie das GAW wäre es kaum möglich, die Hilfe zu geben.
Wie soll es weitergehen?
„Von den Russen erwarten wir nichts! Wir haben ihre Brutalität und Gewalt am eigenen Leib erlebt!“ sagt Nina. „Wir brauchen eure Unterstützung aus dem Westen für unsere Soldaten, für unsere Menschen, damit sie in Freiheit leben können. Unter russischer Herrschaft ist das nicht möglich!“ Sie selbst hat viele Verwandte in Russland. „Mit ihnen ist kein Gespräch mehr möglich. Sie glauben mir nicht, was mir geschehen ist. Sie stehen unter dem massiven Propagandaeinfluss des Putinregimes.“
Wie soll es zum Frieden kommen?
„Dialog gibt es nicht! Wie soll man mit jemandem reden, der nicht reden will, sondern nur Gewalt ausüben will?“ sagt Nina. „Wenn schon im Kleinen, in der Familie mit den Verwandten kein Dialog möglich ist? Wie soll das dann im Großen gehen?“
Alle Frauen betonen, dass sie dankbar sind, Obdach und Zuflucht gefunden zu haben. Die lutherische Kirchengemeinde ist für sie ein Ort des Trostes und der Hoffnung. Inzwischen kommen auch ihre Männer zur Kirche. Das ist neu und war in Schlangendorf nicht so.
Zum Schluß bitten sie: „Betet für uns und für Frieden in der Ukraine, und dass die russischen Soldaten endlich unser ganzes Land verlassen. Mit ihnen gibt es keinen Frieden. Helft uns und vergeßt uns nicht!“
Mehr Informationen zu Schlangendorf/Smijwka findet man hier: https://nelcu.org.ua/de/church/deutsche-peter-und-paul-kirche-in-smijiwka/ und https://de.wikipedia.org/wiki/Smijiwka_(Beryslaw)
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