Ein lateinamerikanisches Sprichwort sagt: „Wenn Europa oder die USA niesen, erkältet sich Lateinamerika.“ So war es schon immer. Und das spürt man derzeit auch auf dem lateinamerikanischen Kontinent. In Venezuela scheint der Krieg sowohl positive als negative Folgen zu haben.
Venezuela
leidet seit Jahren unter einer schlimmen Krise. „Im Moment versucht die Regierung mit Kürzungen und Steuererhöhungen, die Hyperinflation in den Griff zu bekommen. Das gelingt ihr durchaus, aber die Maßnahmen treffen die sowieso schon armen Menschen hart. Auch Acción Ecuménica (AE), das ökumenische Sozial- und Medizinzentrum in Caracas, kämpft mit den Folgen: Durch die gestiegenen Steuern sind Untersuchungen und Medikamente teurer geworden. Der Staat kontrolliert unsere Arbeit stärker und hat darüberhinaus die Löhne für medizinisches Personal gesenkt“, schreibt César Henriquez, Leiter von AE. „All dies ist demotivierend. Unsere Lebensqualität ist gesunken und die soziale Ungleichheit hat zugenommen, auch wenn sich die Wirtschaft erholt. Die Regierung wird von einem beträchtlichen Prozentsatz der Bürger abgelehnt. Die US-Sanktionen dienen ihr als Vorwand, um ihre eigene Ineffizienz zu verbergen.“
Wie sich der Krieg genau in dieser Situation auswirken wird, ist laut César Henriquez noch unklar. „Aber ich bin davon überzeugt, dass wir zumindest indirekt davon betroffen sind. In einer globalisierten Gesellschaft hat jeder Konflikt globale Auswirkungen, auch auf das Leben der einzelnen Bürger.“
Die Regierung Venezuelas steht auf der Seite Putins und befürwortet den Krieg. Dazu schreibt César Henriquez: „Man dachte, dass diese Unterstützung dazu führen wird, dass die US-Regierung ihre Sanktionen gegen Venezuela verschärft. Das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Im Juni kam eine außerordentliche US-Delegation nach Venezuela, um angesichts des US-Embargos gegen russisches Öl engere Beziehungen zu Venezuela und einen Zugang zu venezolanischem Rohöl zu suchen“, so César Henriquez. „Es gab einige entspannende Signale. Wir haben Hoffnung, dass die Ölpreise steigen könnten und Venezuela als ölproduzierendes Land davon profitieren könnte. Hoffenlich kommt das der Not leidenden Bevölkerung zu Gute.“ So könnte sich der Ukrainekrieg sogar positiv auf Venezuela auswirken.
Sorge bereitet ihm allerdings der Anstieg der Preise für Düngemittel in Venezuela, die hauptsächlich in Russland, der Ukraine und Belarus produziert werden. Dadurch könnten sich die Lebensmittelpreise weiter erhöhen. Es bleibt also abzuwarten, ob die positiven oder die negativen Folgen des Ukrainekrieges für Venezuala überwiegen werden!
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