„Diaspora und Sendung“ – unter diesem Motto findet am 19. September auf der diesjährigen Vertreterversammlung des GAW der EKD  ein Podiumsgespräch statt. GAW-Präsidentin Prälatin Gabriele Wulz ist im Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden der EKD Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm und dem Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union Prälat Dr. Martin Dutzmann.

Den Diasporabegriff theologisch zu füllen und über den Auftrag von Diaspoarkirchen in ihren Gesellschaften nachzudenken, gehört schon immer zu den Aufgaben des Diaporawerkes der EKD. 

Das soll auf der Vertreterversammlung fortgeführt werden.

Zur Erinnerung:

Die Grundlagen für einen theologisch weiter gefassten Diaspoarbegriff entfaltete Prof. René Krüger (Evangelische Kirche am La Plata) mit dem Buch „Diaspora“. Sein Statement: Wir alle sind Diaspora, nämlich Salz der Erde und Licht der Welt. 

Ebenso hat sich das GAW mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich Diaspora und Mission zueinander verhalten. Denn, wenn man Salz der Erde sein will, dann setzt man sich für die Erde ein, dann hat man eine Mission, nämlich nach außen in Wort und Tat zu zeigen, was man innen glaubt. Das ist Mission, das ist Sendung.

Im GAW haben wir in den letzten Jahren das Studiendokument der GEKE zum Thema „Theologie der Diaspora“ breit rezipiert. An der Erarbeitung des Dokuments hatte sich das GAW engagierte. Zu finden ist dies – neben weiteren Diasporatexten – in dem Buch „Graswurzel oder heiliger Rest?“, das inzwischen ausverkauft ist. 

GAW-Präsidentin Gabriele Wulz nimmt die Impulse auf  und stellt fest, dass „die theologische Debatte hierzulande profitieren kann, wenn sie das Thema Diaspora bewusst aufgreift. Die soziologischen Implikationen dieses Begriffs und die sozialwissenschaftliche Forschung zum Thema können unsere Diskurse um eine kleiner werdende Kirche befruchten. Diaspora ist nicht eine Kategorie des Mangels, sondern ein relationaler Begriff – ‚als Gestaltung von Beziehungsfülle im Sinne der Nachfolge Christi‘. In einem solchen ‚relational akzentuierten Diasporabegriff‘ lässt sich die Polyphonie der Lebensbezüge von Gemeinden in der Diaspora erkennen. So wird mit dem Begriff Diaspora eine wesentliche Gestaltungsaufgabe von Kirche in der Welt zum Ausdruck gebracht.“


In einem kürzlich in der Evangelischen Verlagsanstalt unter dem Titel „Diaspora und Sendung“erschienen Buch heißt es nun: „Die Begriffe ‚Diaspora und Sendung‘ gehören zusammen, auch wenn sie im Sprachgebruach der meisten Kirchen in unterschiedlichem Kontext verwendet werden. Die ‚Fremdheit‘ der Christinnen und Christen in der Welt ist untrennbar mit der universalen Sendung der Kirche zu allen Völkern verbunden.“ (S. 82) Und so wird erläutert, wie Diaspoar zu verstehen sei. Es bedeute eigentlich „Zerstreuung“ oder „Verstreuung“. Im Gebrauch zeige sich eine Vielfältigkeit, je nachdem, wie der Begriff in Soziologie, in Kulturwissenschaften oder in Theologie verwendet wird. In einem theologischen Sinne will man den Begriff verstanden wissen als „Fremdheit“ und „Vorläufigkeit“ der Existenz von Christinnen und Christen in der Welt. So verstanden sei Christsein grundsätzlich von einer Existenz in der Diaspora gekennzeichnet. Dazu wird der Begriff „Sendung“ gestellt, denn zu allen Kirchen gehört der Auftrag, allen Menschen das Evangelium zu verkünden durch das Zeugnis für den Glauben, die Feier des Gottesdienstes und den Dienst am Nächsten. Diese Sendung gelte für alle Christinnen und Christen in Raum und Zeit. (ebd. S. 82)
In einem multilateralen ökumenischen Kontext reiche es nicht, den Diasporabegriff theologisch für das Selbstverständnis von Minderheitskirchen zu verwenden. Es gelte, „den Blick für das religiöse Selbstverständnis der Kirchen insgesamt zu weiten, sowohl für die Beziehung zur „Welt“ bzw. für ihre Positionierung in der Gesellschaft als auch für ihr Verhältnis zu weltlicher Zeit und eschatologischer Zukunft. In diesem Sinne kann Diaspora, in Anknüpfung an die GEKE-Studie, als ein relationaler Begriff verstanden werden.“ (S. 27)

Wie sind und werden wir Diaspora und bleiben dabei freudig Salz der Erde? Dazu sind wir immer wieder berufen – egal wie groß oder klein? Der Diaspoarbegriff gewinnt für unsere Gegenwart spürbar an Bedeutung.

Buchtipps:

– Rene Krüger, Die Diaspora.Von traumatischer Erfahrung zum ekklesiologischen Paradigma, Verlag des GAW, Leipzig 2011
– Diaspora und Mission.Eine Verhältnisbestimmung, Verlag des GAW, Leipzig 2011

– Evangelisch glauben – nüchtern hoffen. Beiträge zu einer Theologie der Diaspora, Verlag des GAW, Leipzig 2015

– Katharina Bracht, Thomas Söding (Hrsg.), Diaspora und Sendung. Erfahrungen und Auftrag christlicher Kirchen im pluralen Deutschland, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2021