Aus der lutherischen Petrikirche St. Petersburg

In Russland ist die Zahl der am Coronavirus Infizierten rasant angestiegen. Heute wurden über 220.000 Infizierte gezählt. Die genaue Zahl der Verstorbenen ist unklar. Über den Umgang mit den Zahlen gibt es widersprüchliche Nachrichten. Das öffentliche Leben wurde aber auch in Russland stark eingeschränkt.

Propst Michael Schwarzkopf von der Ev. Lutherischen Kirche im Europäischen Rußland (ELKER) berichtet aus St. Petersburg: 

„In
St. Petersburg hat die offizielle Reaktion auf die Coronakrise
am 17. März 2020 mit einer
Beratung im Smolny (der Stadtregierung) begonnen, zu der auch die Kirchenvertreter eingeladen waren. Es wurde eine Obergrenze für
Besucherzahlen öffentlicher Veranstaltungen, darunter Gottesdienste, auf 50 Personen festgelegt. Damit haben wir am 22. März einen letzten
Gottesdienst gemeinsam in der Petrikirche gefeiert – von den älteren
Gemeindegliedern kam dazu nur noch wenige.

Seit dem 28. März sind nun alle
öffentlichen Institutionen geschlossen, auch die Kirchen. Kirchen und
kirchliche Gebäude, dazu alle Außenanlagen, dürfen nur noch von Pfarrern und
Personal betreten werden. Also finden unsere Gottesdienste seit dem 29. März
online statt. Die Online-Übertragung geschieht über die Website der Gemeinde (www.petrikirche.ru); die Gottesdienste
stehen dort auch als Aufzeichnungen zur Verfügung.

Kreuz aus der Petrikirche in den Katakomben

Alle
Begegnungen in der Gemeinde, insbesondere wöchentlich Kirchenkaffee nach dem
Gottesdienst, Bibelstunde, Taizégebet, Familiengottesdienst, finden virtuell statt. Beim Familientreffen
und beim Gebet bin ich als Pastor am Altar, neben dem Altar steht mein
Computer, und wir singen und beten gemeinsam, führen die zu Gebet und Segen,
gerade im Familiengottesdienst üblichen Bewegungen gemeinsam aus – und dann
wird mit den Kindern gebastelt, Ehrenamtliche bereiten auch das vor, führen es
im zoom vor.

Für alle,
die sich der Petrikirche verbunden fühlen,
haben wir ein Gebet am Altar eingeführt – jeden Tag 16 Uhr lesen wir einen
Psalm; Anfang April haben wir mit Psalm 1 angefangen in der Hoffnung, dass wir die
Psalmen nach dem 91. (er spielt in Russland eine besondere Rolle als
Schutzpsalm gegen Krankheit) schon wieder gemeinsam in der Petrikirche beten
können.

Schwerer
ist die diakonische Tätigkeit der Gemeinde zu organisieren – hier ist ja auch
materielle Hilfe, insbesondere der Einkauf und das Bringen von Lebensmitteln
nötig. Alleinstehende Mütter, ältere Menschen haben es schwer – die meisten
Möglichkeiten für einen Nebenverdienst, um die geringe Rente oder Sozialhilfe
aufzubessern, entfallen durch die Schließungen aller öffentlichen
Einrichtungen, Restaurants, Parks u.ä. Hier engagiert sich eine Gruppe von
jüngeren Leuten zusammen mit KV-Mitgliedern – sie rufen regelmäßig alle älteren
Gemeindeglieder, aber auch Familien, die es schwer haben, an und fragen, was
gebraucht wird. Dann besuchen sie die, die Besuch wünschen, oder bringen
einfach Lebensmittel, die sie vor die Tür stellen. Hier arbeite ich auch mit,
bei Besuchen oder bei seelsorgerlichen Anrufen, je nachdem, was nötig ist.

Ganz
besonders schwer ist die Lage der Obdachlosen. Wir teilen ihnen zweimal in der
Woche Essen aus. Aber dies kann nun nicht mehr in oder bei den Räumen der
Petrikirche geschehen. Also bereitet das Team, das dieses Projekt ins Leben
rief und seit zwei Jahren ehrenamtlich führt, Lebensmittelpäckchen vor, die
sich die Obdachlosen am vereinbarten Ort abholen.

Wie
die ganze Kirche haben auch wir unsere vielfältigen Aktivitäten in schwerer
Zeit unter die Worte aus dem 8. Kapitel des Römerbriefs gestellt: Wir wissen,
dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“