Heute am 1. April zählt Lettland 446 Covid-19 Fälle, morgen wird die Zahl sicherlich schon wieder gestiegen sein. Zum Glück gibt es bisher noch keine Todesfälle, drei Patienten sind jedoch in einem kritischen Zustand. Seit dem 13. März gilt in Lettland der Ausnahmezustand. Schritt für Schritt hat die lettische Regierung immer strengere Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitung des Virus vorgenommen. Zuerst wurde der Schul- und Hochschulunterricht auf Homeschooling umgestellt und Versammlungen auf 200, dann auf 50 Personen begrenzt, und seit dem 29.März gilt die Regel „2 und 2“ – in öffentlichen Räumen sollen die Menschen 2 Meter Abstand voneinander halten und nur 2 Personen dürfen zusammenstehen. Ausnahmen sind natürlich Personen eines Haushalts und Familien mit Kindern.
Lettische lutherische Theologinnen (li. Dace Balode) |
Dr. Dace Balode, Professorin für Theologie an der Universität Lettlands in Riga, schreibt über die derzeitige Situation in Lettland:
„Am 1. April zählt Lettland 446 Covid-19 Fälle, die Zahl wird sicherlich schon wieder gestiegen sein. Zum Glück gibt es bisher noch keine Todesfälle, drei Patienten sind jedoch in einem kritischen Zustand. Seit dem 13. März gilt in Lettland der Ausnahmezustand. Schritt für Schritt hat die lettische Regierung immer strengere Maßnahmen im Kampf gegen die Verbreitung des Virus vorgenommen. Zuerst wurde der Schul- und Hochschulunterricht auf Homeschooling umgestellt und Versammlungen auf 200, dann auf 50 Personen begrenzt, und seit dem 29. März gilt die Regel „2 und 2“ – in öffentlichen Räumen sollen die Menschen 2 Meter Abstand voneinander halten und nur 2 Personen dürfen zusammenstehen. Ausnahmen sind natürlich Personen eines Haushalts und Familien mit Kindern.
Das bedeutet auch für die Kirchen keine Versammlungen bzw. keine Gottesdienste in den Kirchenräumen in Anwesenheit der Gemeinde. Am 13. März waren schon deutlich weniger Kirchgänger in den Kirchen anzutreffen. „Bleib zu Hause“ ist auch in Lettland der neue Slogan.
Lutherische Kirche in Aizpute |
Lettland ist ein multikonfessionelles Land – die größten Konfessionen sind Lutheraner, Katholiken und Orthodoxe. Die protestantischen Kirchen Lettlands (Lutheraner, Baptisten, Methodisten) haben auf die Richtlinien der lettischen Regierung bereits eher mit dem Verzicht auf Gottesdienste mit persönlicher Anwesenheit reagiert. Sie argumentierten, dass gerade die Kirche sehr vorsichtig sein sollte, da viele Kirchgänger älteren Jahrgangs sind, diese sollten keiner Gefahr ausgesetzt werden. Die orthodoxe Kirche und die römisch-katholische Kirche haben ihre Gottesdienste noch bis zum letzten Sonntag fortgesetzt und Sakramente mit besonderen hygienischen Maßnahmen verteilt.
Nun aber sind alle Kirchen auf den virtuellen Raum verwiesen. Die Arbeit findet im Home-Office statt und immer intensiver kommen virtuelle Mittel zum Tragen, so dass auch die Kirche so richtig ins Internet einzieht. Vor allem die Facebook-Profile und Websites der Gemeinden werden nun mit Inhalt gefüllt: Gottesdienste, Lesungen, Meditationen werden aufgenommen oder geschrieben und ins Netz gestellt, um so eine geistliche Unterstützung anzubieten. Manche Gemeinden oder Gruppen treffen sich sogar in virtuellen Foren zum Gottesdienst oder zu Diskussionen, sogar Chorproben finden mittels Videokonferenzen statt. Neue kreative Arten des Zusammenseins sind am Entstehen. So lädt ein Pastor einer Rigaer Gemeinde die Gemeindemitglieder ein, mindestens eine Person der Gemeinde unter der Woche anzurufen, um so die Gemeinschaft fortzusetzen. Manchmal sind es gerade die jüngeren Gemeindemitglieder, die in dieser Situation versuchen, die älteren Mitglieder anzurufen, im Wissen darum, dass viele Ältere die neuen Technologien nicht beherrschen und so leicht in Isolation geraten könnten. Außerhalb von Riga könnte das einige Senioren betreffen.
Lettland scheint im Wartezustand auf den harten Schlag des Virus zu sein. In den Krankenhäusern wurde in den letzten Wochen Platz für die Corona Patienten geschaffen, um auf den Ernstfall möglichst gut vorbereitet zu sein. Die gesamte Bevölkerung kennt nun den Begriff „social distancing“ und nimmt diesen auch ernst. Viele sorgen sich um die ökonomischen Folgen des Zu-Hause-Bleibens, viele fürchten sich um die eigene Gesundheit oder um die ihnen nahestehender Menschen. Die Fernseh- und Radionachrichten berichten seit Mitte März fast ausschließlich über die Pandemie und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Internetportale berichten von den Gefahren wachsender häuslicher Gewalt, von Alkoholismus, von Despressionen oder Fettleibigkeit. Eltern beklagen sich, dass Arbeiten im Home-Office fast unmöglich mit dem Homeschooling der Kinder zu vereinbaren sei, und nun viel mehr Aufgaben an einem Tag zu bewältigen seien.
Die meisten öffentlichen Räume sind jetzt leer. In Riga lassen sich viele Menschen die Lebensmittel direkt nach Hause liefern, aber vor den Geschäften für Haus und Garten sind zahlreiche Autos zu sehen – die Letten scheinen diese Zeit für einige unerledigte Arbeiten zu nutzen. Und bei dem schönen Wetter am Wochenende waren viel mehr Menschen an der Küste anzutreffen als sonst.
Feste, Konferenzen und Festivals werden gecancelt, auf den Herbst oder das nächste Jahr verschoben. Eine Gemeinde in Riga hat entschieden, auch Ostern erst dann zu feiern, wenn das Feiern wieder möglich sein wird. So bleibt diese Zeit vielleicht ohne Feste. Hoffentlich reichen aber Mitgefühl und Hilfe gegenüber denjenigen, die es brauchen. Und auch der Humor, den es braucht, um das Gemüt zu balancieren.“
(Quelle: https://bit.ly/2JyYW3c)
Dace Balode, Dr., Professorin für Theologie an der Universität Lettlands in Riga.
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