Kirchenneubau in Astana / Kasachstan |
Am 11. Januar hat das christliche Hilfswerk „Open doors“ ihre neueste Erhebung herausgebracht zum Thema „Bedrängte und verfolgte Christen“. Demnach hätte sich die Zahl der verfolgten Christen in den vergangenen Jahren verdoppelt. Weltweit mehr als 200 Millionen Christen seien „einem hohen Maß an Verfolgung ausgesetzt“, heißt es in dem veröffentlichten „Weltverfolgungsindex 2017“. 50 Länder werden aufgelistet, in denen Christen am stärksten verfolgt und benachteiligt werden. Für ihren „Weltverfolgungsindex“ hat die Organisation eigene Methoden und Kriterien entwickelt, die in der Vergangenheit von Menschenrechtsorganisationen und anderen immer wieder kritisiert wurden. Erfasst werden mit Hilfe von Fragebögen Einschränkungen für und Gewalt gegen Christen im Privatleben, in Familie und Gesellschaft sowie auf nationaler und politischer Ebene. Die Fragebögen werden nach Angaben von Open Doors sowohl von sogenannten Feldquellen wie Kontaktleuten und Mitarbeitern des Hilfswerks als auch von externen Experten ausgefüllt.
Schwierig erscheint uns im GAW diese Vorgehensweise. Denn: Niemand kann behaupten, er wisse, wie viele Menschen aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden. Dazu müsste genau definiert werden, was man unter Verfolgung versteht. Die EKD z.B. orientiert sich am Verfolgungsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention: jemand wird verfolgt, wenn Gefahr an Leib und Leben besteht und er aufgrund einer bestimmten Zugehörigkeit, zum Beispiel zu einer Nation oder zu einer sozialen Gruppe, nicht auf den Schutz des Staates zählen kann. Es gibt bei all dem bisher schlicht und einfach keine seriösen und offiziellen Angaben über die Zahl der Menschen, die aufgrund ihres Glaubens oder Unglaubens verfolgt werden.
Schaut man sich die aufgelisteten Länder an, so fragt man sich, wie z.B. Kolumbien und Mexiko auftauchen, zwei Länder die katholisch geprägt sind. Die Gewalt, um die es hier geht, hängt wohl eher mit Drogenkämpfen und Bedrückungen von Menschen zusammen, die unter diesen Kämpfen leiden. In Kasachstan gehört zu einem Beraterteam des Präsidenten in religiösen Fragen auch der lutherischen Bischof des Landes. Wenn es hier um Bedrängung von Christen geht, dann liegt das eher an Religionsgesetzen, die zum Ziel haben, islamistische Gruppen zu bekämpfen.
Auch in Syrien, das auf Platz 6 gelistet ist, muss differenziert die Situation betrachtet werden. In Regionen, in denen Islamisten das Sagen haben, haben Christen keine Chance ihren Glauben in Freiheit zu leben. Es gibt aber auch Regionen, in denen Christen glauben und leben können, evangelische Schulen offen halten, in dem Kinder und Jugendliche aller Glaubensrichtungen unterrichtet werden.
Positiv ist es, dass es Open Doors gelungen ist, auf die Situation von verfolgten Christen hinzuweisen, die in bestimmten Kontexten unter problematischen Bedingungen existieren müssen. Zu bezweifeln ist, ob es um eine konkrete Christenverfolgung geht. Oft gehe es darum, dass Christen in ihrer Religionsausübung beschränkt sind oder keine Religionsfreiheit haben. Aber dann geht es immer meist auch gesamtgesellschaftlich um die Verletzung anderer Menschenrechten, um die Verletzung von Bewegungsfreiheit, die freie Meinungsäußerung, um das Recht auf Bildung für Minderheiten.
Wichtig ist ein Thema, das Open Doors anspricht: Konversion. Hier ist es in der Tat so, dass es muslimischen Menschen in ihren Heimtländern quasi unmöglich gemacht wird, ihren Glauben zu wechseln. Das kommt einem sozialen Selbstmord gleich. Verlässliche Zahlen gibt es hierzu jedoch auch nicht.
Dem GAW ist die protestantische Solidarität ein zentrales Anliegen – gerade bezogen auf evangelische Christen, die bedrängt und verfolgt sind. Kirche braucht dafür das wache Auge füreinander. Wenn evangelische Gemeinden in Not sind, sind wir zur Solidarität aufgerufen.
Das GAW hat seit dem Projektkatalog 2010 einen Fonds für „Bedrängte und verfolgte Christen“. Für unser evangelisches, konfessionell gebundenes Werk ist das ein selbstverständlicher Ausdruck der Solidarität. Ob ein Weltverfolgungsindex hilft, differenziert diese Thematik anzusprechen, erscheint dem GAW schwierig.
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