Präsidentin Wulz mit dem Moderator der Griechichen Ev. Kirche Melitiadis in Mylotopos |
Frau Prälatin Wulz, nun sind die ersten 100 Tage in Ihrem neuen Amt als Präsidentin des GAW vorbei. War das der Sprung ins kalte Wasser?
Nein. Es war kein Sprung ins kalte Wasser. Die Jahre in der Stellvertretung haben mich gut auf das neue Amt vorbereitet. Trotzdem ist es für mich noch immer ein bisschen ungewohnt, als „Präsidentin des GAW“ angesprochen zu werden.
Dann bringe ich in der nächsten Frage die Formulierung gleich nochmal! Der Sitz der Prälatin Wulz ist in Ulm, der Sitz der Präsidentin Wulz in Leipzig. Dass Sie es bei Ihrem Terminkalender schaffen, jeden Morgen durch die Leipziger Flure zu laufen, kann ich mir nicht vorstellen.
Bereits im Vorfeld hatte ich mit dem Generalsekretär abgeklärt, was ich leisten kann und was nicht. Wir sind gut im Gespräch per Telefon und Mail. So lässt sich die Distanz Leipzig – Ulm auch zwischen den Vorstandssitzungen problemlos überwinden.
Eine Brücke in die Diaspora zu sein, das gehört zum Selbstverständnis des GAW. Es bedeutet für Sie jetzt konkret sicherlich ein erhöhtes Reisepensum.
Reisen in die Diaspora muss ich langfristig planen und in die Abläufe meines Arbeitsalltags „einfädeln“. Das lässt sich – bis jetzt – ganz gut verwirklichen.
Wohin hat Sie Ihre erste Reise geführt?
Anfang Mai war ich zusammen mit Cornelia Wolf vom Oberkirchenrat und Enno Haaks, dem Generalsekretär des GAW, in Nordgriechenland, um die Projekte der Flüchtlingsarbeit der Griechisch-evangelischen Kirche zu besuchen und gemeinsam mit unseren Partnern über mögliche Unterstützung und Hilfe zu beraten.
Sie waren im zwischenzeitlich geräumten Lager bei Idomeni, aber auch in jenem von Piräus. War es so, wie wir es im Fernsehen sehen?
Ja; in Idomeni war die Lage aussichtslos. In Piräus ist es noch schlimmer. Die Menschen kommen nicht weiter. Sie haben keinerlei Perspektive. Weder nach vorne noch zurück. Und diejenigen, die den Flüchtlingen in den bewachten Lagern helfen wollen, tun sich schwer. Sie müssen erst das Vertrauen der Militärs gewinnen, um überhaupt ins Lager zu kommen.
Und mitten drin die Griechisch-evangelische Kirche…
Ja, mittendrin. Es sind wirklich großartige Menschen, die es als ihre Aufgabe und Verpflichtung sehen, den Geflüchteten zu helfen. Einige konnten wir ja vor kurzem auch auf dem GAW-Fest begrüßen. Sie strahlen eine tiefe Frömmigkeit und Herzlichkeit aus und sagen: Unsere Gemeinde hat sich nach der Vertreibung aus der Türkei hier in dieser Region angesiedelt. Unsere Geschichte verbindet uns mit den Geflüchteten. Ich meine, das ist alles keineswegs selbstverständlich, wenn man bedenkt, in welch schwieriger Lage Griechenland schon ohne die Flüchtlinge steckt.
Hat Ihre Reise direkte Konsequenzen?
Wir werden die Flüchtlingsarbeit dieser Kirche weiter unterstützen und planen für die nächsten zwei Jahre. In Thessaloniki ist ein Begegnungszentrum geplant und in Milotopos soll weiterer Wohnraum entstehen. Das sind nur wenige Beispiele. Die Synode der Landeskirche hat dem GAW 200.000 Euro für die Flüchtlingshilfe in Griechenland bewilligt, die wir jetzt einsetzen werden.
Im Mai wurde ja bereits ein Workcamp von Ev. Jugendwerk Württemberg und GAW in Griechenland eingerichtet.
Ja, das ist vorbildlich: Da richtet ein Dutzend Freiwilliger voller Tatendrang schon die ersten Wohnräume für geflüchtete schwangere Frauen kurz vor der Geburt her, damit wenigstens sie eine feste Unterkunft haben können.
Das Leid ist so groß, dass es gut ist, dass es ein ganzes Hilfsnetz von Kirchen und anderen Trägern gibt, in das das GAW eingebunden ist. Und wir sind dankbar, für alles, was wir dort investieren können.
Gibt es noch weitere Reisepläne?
Im Juni werde ich zu den christlichen Begegnungstagen nach Budapest reisen und an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Halten nur noch die Kirchen Europa zusammen?“ teilnehmen.
Im Sommer möchte ich in Sizilien einige diakonische Einrichtungen der Waldensischen Kirche besuchen.
Sie sprachen vorher die Freiwilligen an. Das GAW ist ja gezielt in die Arbeit mit jungen Erwachsenen eingestiegen. Ich denke an den Freiwilligendienst oder die Stipendiaten.
Das ist ein wichtiger Pfeiler unserer Arbeit geworden. Und es freut mich sehr, wie lebendig er ist. Eine notwendige, ermutigende Bereicherung.
Die ersten 100 Tage – Ihr Schlusswort?
Allein an den wenigen exemplarischen Aktivitäten – zu nennen wäre noch vieles, nicht zuletzt die Frauenarbeit – zeigt sich, dass das GAW durch die aktuellen politischen Entwicklungen zu einem sehr gefragten Gesprächspartner geworden ist und sich einer großen Aufmerksamkeit und zunehmenden Beachtung erfreut. Das finde ich natürlich großartig, auch wenn das mit mehr Arbeit verbunden ist. – Ich glaube, das GAW ist wirklich auf einem guten Weg.
Liebe Frau Wulz, herzlichen Dank und alles Gute weiterhin!
(Das Interview erschien im Freundesbrief des GAW-Württemberg)
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