Ev. Kirche (rechts im Bild) in Aleppo / Syrien wird wieder
aufgebaut

Die Kirchen aus der reformatorischen Tradition haben der Welt etwas zu sagen. Das Themenjahr vor dem großen Reformationsjubiläum 2017 hat das wunderbare Leitwort „Reformation und die EINE Welt“. Es geht darum, sich im evangelischen Glauben in der EINEN Welt verbunden zu wissen. Wir zeigen, dass es eine evangelische weltweite Solidarität und Verbundenheit gibt. Es gibt ein gegenseitiges aufeinander Hören und voneinander Lernen.

Das ist derzeit in der Flüchtlingskrise zu erleben. Evangelische Christen setzen sich ein für die, die ohne Heimat sind – in Syrien und in den Ländern entlang der sog. „Balkanroute“. Die vielen evangelischen Christen leben das, was Luther sagt: „ein Christenmensch lebt nicht in sich selbst, sondern in Christus und in seinem Nächsten; in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe.“ 

Gerade jetzt kann man lernen: Wir leben nicht für unsere kleine Welt. Wir leben in der EINEN Welt. Und in der gibt es evangelische Christen. Sie brauchen unsere Solidarität. Aber auch wir brauchen sie. Denn: Wenn es uns in Sachsen wichtig ist, evangelisch zu leben, dann kann es uns nicht egal sein, wie es evangelischen Schwestern und Brüdern in Chile, Venezuela, Kuba, Spanien, Griechenland, Sibirien, Kirgistan oder Syrien geht. Ihre Hoffnung und ihre Sorgen sind unsere Hoffnungen und unsere Sorgen. Sie sind unsere „Glaubensgenossen“ (Galater 6,10), an denen wir Gutes tun sollen. Das fordert der Glaube, der aus dem Evangelium lebt.

In der weltweiten evangelischen Diaspora leben unsere Schwestern und Brüder mehrheitlich als religiöse Minderheiten. Manchmal fühlen sie sich am Rande der Gesellschaft. Oft genug erleben wir uns inzwischen in Deutschland ebenso am Rande der Gesellschaft. In der Stadt Luthers gibt es nur noch 10 % evangelische Christen. In Leipzig sind es 12 %. Das ist noch eine beträchtliche Zahl. In Chile gibt es lediglich 13.000 lutherische Christen. In Kirgistan sind es ungefähr 400. 

Wie viele von den ehemals ca. 40.000 evangelischen Christen noch in Syrien leben wissen wir nicht. Es gibt sie aber noch. Und selbst dort im Bürgerkrieg haben sie eine Mission und wollen zeigen, dass der evangelische Glaube in die Welt hinein wirkt und sich einsetzt. In Aleppo haben sowohl die armenisch als auch die arabisch reformierte Kirchengemeinde Brunnen gebohrt und versorgen die Nachbarschaft mit sauberem Wasser. Zudem leisten sie Nothilfe, Medizinhilfe – und immer noch funktionieren ihre Schulen. Welch eine Kraft ist das, die aus dem Glauben kommt, um sich in der Welt zu zeigen, da zu sein und zu dienen.

Das kann auch ein Beispiel für das sein, was die letzte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Busan mit dem Begriff „Mission von den Rändern“ beschrieben hat. In all den Diasporakirchen, die sich oft an den Rändern erleben, wird der evangelische Glaube gelebt und ist lebendig. Ansteckend ist es, in einer chilenisch lutherischen Armengemeinde einen Gottesdienst mitzufeiern. Hier erlebt man, wie aus dem lebendigen Gottesdient mit den wunderbaren Liedern Kraft in den oft tristen Alltag strömt. Wie ist das bei uns? Ist es das auch für uns? 

Wie können wir zeigen, dass wir als Diaspoarkirchen in Sachsen eine lebendige Diaspora mit einer Mission sind? Wo ist unsere Stimme gefordert, einzustehen für die, die unter die Räder gekommen sind? Wo und wie ist unser Dienst gefordert, wenn Menschen, die alles verloren haben, nach Beheimatung suchen? Wir haben eine Mission als Diasporakirchen, um von der Lebendigkeit und dem Gottvertrauen evangelischen Glaubens in der EINEN Welt etwas zu zeigen.

Enno Haaks ist Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werkes mit Sitz in Leipzig – der Text ist erschienen in der Ausgabe der sächsischen Kirchenzeitung DER SONNTAG zum Reformationstag 2015