Bischof Sabutis (li), Dr. Hüffmeier (re.)

„Ich kann mich nicht erinnern, mit einem Bischof so lange gesprochen zu haben“, resümiert der Präsident des GAW Dr. Wilhelm Hüffmeier nach dem vierstündigen Gespräch mit Bischof Mindaugas Sabutis im Zentrum der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Litauen in Vilnius. Dass dieses Zentrum um die 1555 erbaute Lutherische Kirche im Herzen der Altstadt in den letzten 25 Jahren aus den Ruinen der zweckentfremdeten Gebäude Schritt für Schritt wieder aufgebaut werden konnte und auch ein diakonisches Zentrum beherbergt, erfüllt alle mit Dankbarkeit und Bewunderung. „Wir rechnen in Vilnius mit etwa 1.500 Lutheranern, 600 davon sind aktive Mitglieder der Gemeinde. Ein Gottesdienst mit 60 Besuchern ist nicht besonders gut besucht“, erklärt Sabutis. „Mein größter Wunsch ist der Aufbau einer lutherischen Schule, vom Kindergarten bis zum Gymnasium. Es soll in einem Neubaugebiet im Norden der Stadt liegen. Dort wohnen viele junge Familien, und da kann erfolgreich Kinder- und Jugendarbeit gemacht werden. Es wäre schön, wenn der erste Schritt mit Kindergarten und Grundschule schon 2017 gemacht werden könnte, ein Beitrag zum Reformationsjubiläum. Schließlich war für die Reformation Schule und Bildung ein zentrales Anliegen. Neben der Lösung der finanziellen Frage ist es vorrangig, ein gutes pädagogisches und auch christliches Profil zu entwickeln.“

Natürlich gibt es Sorgen und Probleme. Da sind vor allem die Immobilien. Für 56 Gemeinden gibt es 45 eigene Kirchengebäude. Die kleinste Gemeinde in Juodkrante/Schwarzort auf der Kurischen Nehrung zählt zwei Personen. Die Gratwanderung zwischen wirtschaftlichem und geistlichem Denken ist nicht immer leicht, und manchmal denkt Bischof Sabutis an die Geschichte, als die verfolgten Salzburger Protestanten in ein von der Pest verwüstetes und leeres Land kamen. „Schließen der Kirchen wäre eine Möglichkeit, aber geistlich gesehen ist das für Minderheitskirche schwer. Vielleicht kommen ja wieder Menschen an diese Orte“, meint er nachdenklich und zitiert das Neue Testament: „Wenn diese (Jünger Jesu) schweigen werden, so werden die Steine schreien“. (Lukas 19,40). Ein gutes Beispiel für die diakonische Nutzung leer stehender, ja verfallenener Kirchengebäude ist „Gabrielus“ in Vyžiai / Wieszen, nicht weit entfernt von Šilutė / Heydekrug“ im Memelland. Pfarrhaus und Kirche sind jetzt eine Sozialstation zur Rehabilitation alkohol- und drogenabhängiger Männer. Das GAW hat hier mehrmals geholfen. 

Ein beeindruckendes Beispiel, wie eine kleine Minderheitenkirche zum wegweisenden Vorbild für die ganze Gesellschaft werden kann, ist die jüngste Erfahrung mit Flüchtlingen aus Syrien. „Die Fremdenfeindlichkeit in Litauen ist groß, besonders auf dem Land“, berichtet Sabutis. „Deshalb haben wir christliche Flüchtlinge als Gäste zu uns eingeladen. Wir haben eng mit der Polizei und anderen gesellschaftlichen Gruppen zusammengearbeitet. In dem ganzen Jahr, in dem sich unsere Gemeinden intensiv um diese „Gäste“ aus Syrien gekümmert haben, gab es keinerlei Probleme. Aber sie sind jetzt leider nicht mehr in Litauen, weil sie keine Arbeitserlaubnis, wohl aber Arbeit hatten. Der Aufenthalt war auf ein Jahr begrenzt. Hoffentlich hat er bleibende gute Erinnerungen und Spuren hinterlassen. Pastoren haben sie alle persönlich besucht. Die Jugendlichen haben am christlichen Jugendlager teilgenommen und Englischkurse absolviert. Heute – am 3.7. – kommen wieder christliche Flüchtlinge, diesmal aus dem Irak. Jetzt ist die Katholische Kirche verantwortlich. Die Lutheraner haben es vorgemacht. Es war ein Schock für die Gesellschaft und die Katholische Kirche, dass die Lutheraner das gemacht haben“, lacht Sabutis.

Am Schluss überreicht der Präsident des GAW dem Bischof die vom Gustav-Adolf-Werk finanziell geförderte Übersetzung „Dievo pėdsakais“ (Gottes Fußspuren), eine Anthologie grundlegender theologischer protestantischer Texte, und wir erfahren zu unserem großen Erstaunen, dass dieses Buch im mehrheitlich katholischen Litauen 2013 mehrfach auf der Bestsellerliste stand. Ein schöner Abschluss dieses so intensiven Gesprächs mit Mindaugas Sabutis, der bei seiner Wahl 2004 mit 28 Jahren der jüngste Bischof der Welt war. – Vera Gast-Kellert

Der Präsident des GAW Dr. Hüffmeier befindet sich derzeit in Begleitung von Martin und Vera Gast-Kellert (ehemalige Leiterin der GAW-Frauenarbeit) auf einer Besuchs- und Projektreise in Litauen und Lettland