Sonja Skupch und Carlos Duarte

Ein wenig Heimweh befällt uns beim Abschied des uns schon lieb gewordenen Santiago und den Gastgebern und Gastgeberinnen in der Lutherischen Kirche. Aber die spektakuläre Busfahrt über die Anden nimmt uns bald ganz gefangen und lässt keine Zeit zum Trauern. Und dann kommen wir nach 22-stündiger Reise etwas müde, aber doch beglückt in Buenos Aires an. Und schon fühlen wir uns wieder daheim. Zu unserer großen Freude wartet Ayelén Wiedenbrüg aus der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche am La Plata (IERP) schon auf uns. Sie hat in Deutschland Sozialpädagogik studiert und ist mit 50% für Ricardo Schlegel für die Freiwilligenbetreuung zuständig. 57 Freiwillige gibt es zurzeit aus 9 verschiedenen Entsendeorganisationen in Deutschland, u.a. auch das GAW. Ricardo ist gerade auf einer Betreuungsrundreise und kommt am Freitagmorgen.

Nach einer Verschnaufpause in unserer Gästewohnung im Gebäude der IERP treffen wir uns zum Gespräch mit dem Präsidenten der Kirche, Pastor Carlos Duarte Völker, und der Generalsekretärin Pfarrerin Sonia Skupch, 2000-2001 Stipendiatin des GAW in Leipzig. Beide haben deutschsprachige Vorfahren und beherrschen die Sprache vorzüglich. „Sie kamen einmal auf der Suche nach Arbeit, waren sozusagen Arbeitsmigranten“, lachen beide. „Das ist wichtig zu erinnern“.  Und Duarte erläutert die Herausforderungen seiner Kirche:„In der IERP befinden wir uns in einem wichtigen Prozess, dass sich die Gemeinden öffnen für die hiesige Gesellschaft. Das Thema ist nicht neu, aber immer noch aktuell. Es umfasst mehr als die Sprache, dazu gehören ökologische Themen wie Monokulturen und Sojaanbau, ähnlich wie in Brasilien. Zwar hat unsere Kirche deutsche Wurzeln, denen sie treu bleiben will, aber sie muss sich auch öffnen.“ Am nächsten Tag findet ein Vorbereitungstreffen zu einer thematischen Konferenz in dieser Richtung statt. „Das sind lateinamerikanische Themen, und wir haben eine gute Kooperation mit Chile und Brasilien. Über die regionale Kirchenleitungskonferenz des Lutherischen Weltbundes (Conferencia de Liderazgo – COL) sind wir eng verbunden.“

Eine große Herausforderung im Blick auf die Zukunft ist die Ausbildung der zukünftigen Pfarrer. Dabei gilt es, auch mehr junge Menschen für ein Theologiestudium interessieren, schon jetzt gibt es einen großen Pfarrermangel. „Eine Zeitlang haben wir gesagt: wir haben zu viele Pfarrer,“ sagt Sonja Skupch – und Carlos Duarte berichtet von der wichtigen Arbeit der Laien, die Prädikanten vergleichbar in manchen Gemeinden ganz selbstständig arbeiten, auch die Sakramente verwalten. Diese Laienarbeit wird die Kirche von unten beleben. Das führt zu einer veränderten Rolle des Pfarrers.“ 

Bei der Arbeit des GAW ist für beide besonders die Motorisierungshilfe wichtig. Da bekommt man kaum von irgendeinem anderen Hilfswerk finanzielle Unterstützung, aber für uns ist das essentiell für die gemeindliche Arbeit.“ Sie erzählen von einer jungen Kollegin, die monatlich 3.000 km fährt. „Eigentlich braucht sie ein Hybridauto. Das ist zwar teuer in der Anschaffung, aber es wird sich bald amortisieren“

Auf das Stipendienprogramm des GAW hin angesprochen kommt eben die gleiche Beobachtung. „Die Zahl der Theologiestudenten und –studentinnen nimmt ab. Oft arbeiten sie nebenher, und deshalb wollen sie kein Jahr ins Ausland. Wichtig für uns wäre aber auch die Möglichkeit einer kürzeren spezialisierten Fortbildung, z.B. für Medien, Jugend, Hospizarbeit und vieles andere. Denn die Pfarrer und Pfarrerinnen der Zukunft werden nicht alles machen können.“ Und Duarte ergänzt:„Aber weiterhin ist für uns Stipendienarbeit des GAW wichtig, auch wegen der Sprache.“

Ganz besondere Bedeutung hat die Freiwilligenarbeit bekommen. Und nun beginnt auch ein Reversprogramm. Sechs Freiwillige aus Argentinien und Paraguay werden 2014 nach Westfalen gehen. Zur Evangelischen Kirche von Westfalen gibt es eine besonders intensive Beziehung. Ein diakonisches Jahr innerhalb der IERP gibt es auch schon lange, zunächst als Zivildienst gegen Militärdienst, so auch in der katholischen Kirche. Jetzt ist der Militärdienst allerdingsnicht mehr Pflicht.

Der Argentinier als Papst Franziskus hat alle, auch die Lutheraner gefreut. Franziskus kennt die IERP gut, und es gab mit ihm rege ökumenische Beziehungen. Er ist sympathisch und nett. In der Frage der Frauenordination wird er nichts ändern. Auf die Frage an Sonja Skupch, wie katholische Würdenträger mit ordinierten Pfarrerinnen umgehen, lacht sie: „Sie erkennen mich als Generalsekretärinnen an.“ Und Carlos Duarte ergänzt schmunzelnd: „ Sie freuen sich sehr, wenn ich komme. Dann heißt es: Jetzt kommt der Kopf“. 

Auf das Thema nach der wirtschaftlichen Situation des Landes hin angesprochen zucken beide mit den Schultern. „Es ist ein Enigma. Wir warten. Ein großes Thema ist die Inflation. Die Kosten steigen unablässig. Bei der Aufstellung unseres Haushaltes hatten wir mit einer Inflation von 30% gerechnet, aber nun werden es wohl 40%. Wir werden sehen müssen, wie wir das ausgleichen.“ 

Aber 2014 hat auch ein schönes Jubiläum – 30 Jahre Frauenordination. Wie das gefeiert werden soll, ist noch nicht klar, aber feiern wollen sie es. So wünschen wir Gottes Segen und herzlichen Glückwunsch! – Vera Gast-Kellert, Vorsitzende der Frauenarbeit im GAW