Markus Schoch, EKD-Pfarrer in Riga, berichtet aus Lettland: „Die Kirche in Lettland ist historisch eng mit Deutschland verknüpft. Über Jahrhunderte war sie deutsch geprägt: die Sprache im Konsistorium war deutsch, aber für die lettische Bevölkerung gab es Predigt und Unterricht auch in lettischer Sprache. Auch die Ausbildung an der Universität in Dorpat wurde auf Deutsch vermittelt. Der große Einschnitt vollzog sich 1939 mit der Aus/Umsiedlung der Deutschen aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes. Zuvor gab es eine lutherische Kirche, die aber zwei Bischöfe hatte: Die Kirche des lettischen Bischofs war der Dom, die des deutschen Bischofs die Petrikirche. 1939 kamen die vormals deutschen Kirchen laut eines Vertrags zur lettischen Kirche, es gab keine deutschsprachigen

Lutherische Kirche in Valmiera

Gottesdienste mehr. In den 60er Jahren begann ein lettischer Pfarrer an der Jesuskirche, Bibelstunden in deutscher Sprache zu halten. Hintergrund war, dass in dieser Zeit in der Sowjetunion die Festlegung des Wohnortes (Kommendatura) für Deportierte aufgehoben wurde. Deportierte nach Sibirien und Mittelasien durften ihre Verbannungsorte verlassen, jedoch nicht in den Umkreis ihres früheren Wohnortes (200-300km) zurückkehren. So sind viele Russlanddeutsche ins Baltikum gekommen. Zunächst gab es Bibelstunden auf Deutsch, später auch Gottesdienste. Dann gab es einen Pfarrerwechsel in der Jesuskirche, es kam ein junger neuer Pfarrer, Harald Kalnins (dessen Mutter deutsch und Vater lettisch waren). Er wurde von den Russlanddeutschen gebeten, weiterhin deutsche Gottesdienste und Bibelstunden zu halten. Er war dazu bereit, aber nur mit einer staatlichen Genehmigung. So stellte er einen Antrag an die Religionsbehörde, deutsche Gottesdienste halten zu dürfen. Es dauerte drei Jahre, bis eine Antwort kam, doch schließlich wurde sein Antrag genehmigt. Ab dann hielt Harald Kalnins deutsche Gottesdienste und Bibelstunden in Riga und Cēsis. Das sprach sich in ganz Lettland und der UdSSR herum, viele sind angereist und haben ihn auch in ihre Gemeinden eingeladen. So fing auch er an zu reisen. Die Jesuskirche in Riga wurde zum Zentrum der Deutschen Lutheraner in der Sowjetunion, zum Zentrum der „Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in den Republiken des Ostens“. Dann kam die Wende, der lettische Staat wurde gegründet. Riga blieb noch kurze Zeit Bischofssitz der deutschen Kirche, dann wurde die Evangelisch-Lutherische Kirche in Russland und Anderen Staaten (ELKRAS) gegründet und der Bischofssitz nach St. Petersburg verlegt. In Lettland blieb nur noch eine Rumpfkirche mit fünf Gemeinden: Riga, Daugavpils, Dobele, Liepaja, Valmiera. Erst wurden diese Gemeinden noch von Harald Kalnins betreut. Es gab Unterstützung aus Deutschland durch Vertretungen, die relativ bald von der EKD koordiniert wurden.“