Eurowaisen in Litauen |
Innerhalb der Grenzen der Europäischen Union können sich aus 27 Mitgliedstaaten die Menschen frei bewegen. Besonders interessant ist das für strukturschwache Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit groß ist. Da zieht es Menschen dorthin, wo sie Arbeit finden. So zieht es Polen u.a. nach Großbritannien oder Irland, Rumänen nach Spanien. Litauer nach Deutschland, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Folge: Viele Kinder und Jugendliche bleiben zurück und wachsen bei Großeltern, Verwandten oder Nachbarn auf. Man spricht von sog. „Eurowaisen“. Mindestens 100.000 solcher Eurowaisen gibt es in Polen. In Rumänien sollen es nach Schätzungen ca. 350.000 sein. Überwiegend sind es die Väter die gehen. Aber besonders in Pflegeberufen werden Frauen aus Polen, Litauen, Lettland, Tschechien, der Slowakei u.a. Staaten angeworben um z.B. in Deutschland oder Österreich beim „Pflegenotstand“ auszuhelfen. Evaldas ist inzwischen Volljährig. Seine Mutter aus dem litauischen Jubarkas lebt seit vielen Jahren so. Sie ist Pflegehelferin in einem Haushalt in Deutschland. Drei bis sechs Monate bleibt sie in Deutschland, um dann für zwei bis drei Wochen nach Hause zu kommen. So hat sie für litauische Verhältnisse ein einigermaßen gutes Auskommen. Der Preis dafür: Evaldas ist alleine aufgewachsen. Pfarrer Mindaugas Kairys aus Jurbarkas kennt noch mehr Fälle von solchen „Euro-Waisen“: „Allein in meiner Gemeinde mit ca. 400 Mitgliedern arbeiten 30 Frauen als Pflegekräfte in Deutschland. Das ist auf der einen Seite gut für die Familien, denn hier gibt es kaum Arbeit. Andererseits geht es auf Kosten der Familien, denn das monatliche Fortsein bringt neue Probleme mit sich.“ Insgesamt wächst die Zahl verlassener Kinder täglich, die dringend psychologischen Beistand, Betreuung und einen rechtlichen Vertreter während der Abwesenheit ihrer Eltern benötigen. Die Problematik wird sich aller Voraussicht nach mit der anhaltenden Wirtschaftskrise eher noch verschärfen – und ausweiten. Zurückgelassene Kinder sind für die EU ein noch viel zu wenig bekanntes und beachtetes, indes rapide wachsendes Problem. Und die Zeit läuft: Elternlose Kinder werden möglicherweise ein anderes Verständnis vom Zusammenhalt und von der Mobilität Europas entwickeln als noch ihre hoffnungsvollen Großeltern und Eltern. Gerade für unsere osteuropäischen evangelischen Partnerkirchen ist diese Thematik der Eurowaisen eine Herausforderung – auch für den Zusammenhalt ihrer Gemeinden. Zudem sind sie gefordert bei der Begleitung dieser Kinder. In Litauen geschieht das beispielhaft in Šilutė. Im Diakoniehaus „Šilutės Sandora“ erhalten sie eine warme Mahlzeit, können Schulaufgaben machen, hören gemeinsam Gottes Wort, spielen und lernen Handarbeit und Kochen. Im Sommer lädt die Diakonie zu einer Freizeit ein. Um auch weiterhin bedürftigen Kindern helfen zu können, bittet „Šilutės Sandora“ um finanzielle Unterstützung. Bei Bedarf erhalten sie Schulmaterial, Bekleidung und Schuhe. Mehr Informationen: http://www.gustav-adolf-werk.de/projekt-des-monats-januar-2012-silute.html
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