Publikation von ISEAT

Seit den 90erJahren haben sich verstärkt indigene Theologien in Lateinamerika etabliert, die versuchen, unter den lateinamerikanischen Bedingungen andine Traditionen und christlichen Glauben in einen fruchtbaren Dialog zu bringen. Ein Beispiel findet sich dafür zum Beispiel in Bolivien, wo Josef Estermann am Ökumenischen Institur für Andine Theologie (ISEAT) unterrichtet. Er berichtet: „Die meisten StudentInnen hier haben eine doppelte Identität. Einerseits sind sie voll und ganz ChristInnen und bereiten sich gar auf ein kirchliches Amt vor. Anderseits sind sie ebenso leidenschaftlich Angehörige der andinen Kultur und Religiosität.“ Diese beiden Seiten miteinander zu verbinden, ohne die eigene Symbolwelt zu verleugnen, sei das eigentliche Anliegen der andinen Theologie. In dieser Hinsicht kann man von einem befreiungstheologischen Ansazt sprechen. Dadurch entwickelt sich auch ein neues Selbstbewusstsein der Mitglieder gerade indigener Kirchen. Unter dem Stichwort Inkulturation fragt diese Theologie, wie die christliche Botschaft in den Lebensgemeinschaften indigener Gemeinschaften lebendig werden kann, ohne die alte tradierte Kultur völlig ablegen zu müssen, in der es viel stärker um gemeinschaftliches Leben geht und eine Versöhnung mit der Schöpfung. Ebenso wird in der indigenen Theologie nachgedacht über Marginalisierung und Unterdrückung der indigenen Kulturen Lateinamerikas. Gleichzeitig wird dabei über Strategien der Befreiung nachgedacht, die den traditionellen Lebens- und Glaubensvorstellungen entsprechen. Wesentlich ist dem Denken dieser Theologie, dass alles mit allem zusammenhängt und in Beziehung steht und auf Harmonie angewiesen ist. In dieser Vorstellung wird auch das Gottesbild gedacht als das sich „Beziehende“. Von daher wird einer eurozentristischen Theologie, die sehr auf die Erlösung des Einzelnen zielt, gewehrt. „Ich sehe die wachsende Begeisterung bei den jungen Leuten, die sich an diesem Austausch beteiligen“, sagt Josef Estermann. „Ich bemerke, wie sich die Spannung löst und Befreiung sich breit macht. Denn die meisten bedrückt das scheinbar unlösbare Dilemma zwischen andiner Kultur und christlichen Wertvorstellungen schwer.“