Spanien ist eines der am schlimmsten vom Coronavirus SARS-CoV-2 betroffenen Länder der Welt. Am 27. Mai begann eine zehntägige Staatstrauer für die 27.000 Menschen, die bisher an oder mit dem Virus verstorben sind. Madrid hat besonders viele Opfer zu beklagen. Esther Ruiz de Miguel (links) leitet das Sozialzentrum
der evangelischen Gemeinde in Madrid „Acción Social Protestante“ (ASP), das Menschen in Not hilft. 2015 unterstützte das Jahresprojekt der GAW-Frauenarbeit die Arbeit von ASP. Esther
berichtet:

„Die Corona-Krise zeigt die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft sehr deutlich. Frauen haben die schlechteren
Arbeitsverhältnisse, arbeiten oft ohne Vertrag und verdienen weniger Geld. Sie
tragen mehr Verantwortung für die Familie oder sind alleinerziehend, teils mit
mehreren Kindern. Viele der Menschen, die zu uns kommen, leben von
kurzfristigen Jobs und Gelegenheitstätigkeiten. Frauen haben auf Grund der
Betreuung von Kindern und älteren Menschen jetzt schlechtere Chancen auf Beschäftigung.

 

Frau aus Lateinamerika bei ASP-Treffen

Die meisten Menschen, die bei ASP neu um Lebensmittelspenden bitten, sind Frauen. Sie sind
meist diejenigen, die Wege suchen, Lebensmittel und andere Ressourcen nach
Hause zu bringen. Langfristig wollen wir helfen, die Ungleichheit zu bekämpfen,
z.B. mit Ausbildungs- und Kinderbetreuungsangeboten. So haben die Frauen
bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auch unsere Selbsthilfegruppen wollen wir
ausweiten. An zwei Beispielen möchte ich zeigen, mit welchen Problemen Frauen,
insbesondere Migrantinnen, in Madrid derzeit kämpfen:

Patricia ist
alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Vor der Pandemie arbeitete sie als
Putzhilfe in einem Haus außerhalb von Madrid. Trotz Ansteckungsgefahr musste
sie weiterarbeiten, denn: Ohne Vertrag keine Arbeitnehmerrechte. Obwohl
sie alles tat, um ihre Arbeit nicht zu verlieren, steckte sie sich mit Covid-19
an und wurde daraufhin gekündigt. Ohne Geld kann sie ihre Miete nicht mehr
zahlen. Patricias Lage verschlechterte sich so sehr, dass sie jetzt
Lebensmittelunterstützung braucht. Das ist besonders traurig, weil sie schon
einmal Lebensmittelhilfe bekommen hatte, als sie vor fünf Jahren in Spanien
ankam. Sie hat so viele Hindernisse überwunden und für ihre Unabhängigkeit
gekämpft. Es bricht mir das Herz, zu sehen, dass sie jetzt wieder Hilfe
braucht.

Elisabet lebt
zusammen mit ihrem Mann und ihrem zwölfjährigen Sohn in einem Apartment in
Madrid. In ihrem Heimatland befinden sich Familie und Freunde. Sie nimmt an den
ASP-Frauentreffen teil und wird dort sehr geschätzt. Bei Elisabet und ihrem Mann
wurde Covid-19 diagnostiziert und sie wurden ins Krankenhaus eingewiesen.
Elisabet erzählte uns mit Tränen in den Augen, wie sie vom Krankenhausbett aus
ihrem Sohn eine Nachricht schrieb: „Mein Schatz, Papa und ich sind im Krankenhaus.
Alles ist gut, aber falls uns etwas passiert, musst du wissen: Dein Pass, deine
Gesundheitskarte, das Familienbuch und andere Dokumente sind in einem blauen
Umschlag in der zweiten Schublade von meinem Nachttisch. Nimm sie und geh zur
Polizei, sie werden dir helfen.“ Zum Glück haben sie sich erholt, sind wieder
zu Hause und suchen jetzt nach Arbeit. Aber es war sehr hart für sie als
Mutter, darüber nachzudenken, was mit ihrem Sohn passieren würde, falls sie
nicht mehr da sein sollte und schmerzhaft, diese Nachricht zu schreiben.