Mit einem Wort aus Römer 5 beginnt ein Brief der Ev. Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) an die Gemeinden angesichts der Verschärfung der Corona-Pandemie: „Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Die Gemeinden der IECLB und ihre Mitglieder sollen ermutigt werden für die kommenden Wochen und Monate, denn keiner weiß, wie sich die Corona-Pandemie entwickeln wird. Angeführt von Kirchenpräsidentin Silvia Genz schreibt die Kirchenleitung: „Fürsorge für das Leben und diakonisches Handeln gehören zum Wesen der Kirche. Im Laufe der Geschichte hat die Kirche Jesu Christi ihre Treue zum Evangelium bewiesen, indem sie in Zeiten des Leidens solidarisch gehandelt hat. Wieder einmal ruft Gott uns auf, einer schwierigen Situation mit Glauben, Dienstbereitschaft, Mut und Hoffnung zu begegnen.“ Und in diesem Zusammenhang werden weitergehende Maßnahmen beschrieben, die das gemeindliche Leben weiter einschränken – wie insgesamt weltweit: unbefristete Aussetzung aller gemeindlicher Aktivitäten. Das bedeutet nicht, dass das Gemeindeleben ruht: Gebete, häusliche Andachten, Videoandachten, Seelsorge. Bei Beerdigungen gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen. Sie sollen kürzer, möglichst im Freien und mit Sicherheitsabständen stattfinden – immer in Absprache mit den Gesundheitsbehörden. Zu prüfen sei die Öffnung der Kirchen. Dann sollten aber Hygieneartikel ausgelegt werden.
In Venezuela gibt es eine große Unsicherheit. Die Regierung hat auf nationaler Ebene 46 Krankenhäusern erlaubt, offen zu bleiben. Nur Notfälle dürfen aufgenommen werden. Keine anderen Fälle. Die Bewegungsfreiheit ist landesweit sehr eingeschränkt. In unmittelbarer Nähe des Ökumenischen Sozial-Diakonischen Zentrums Acción Ecumenica in Caracas gibt es derzeit noch keinen Corona-Verdachtsfall. Sorgen bereitet die Frage der Versorgung mit Lebensmitteln, die ohnehin schon extrem schlecht. Die Menschen hungern und sie haben nichts, was sie kaufen können. Die Regierung hat keine Mittel, um dieser Krise zu begegnen. Der Versuch Geld vom IWF zu erhalten, der die derzeitige Regierung nicht anerkennt, ist ein Ausdruck dafür. Letztlich weiß niemand, wie viele Menschen sich in Venezuela schon angesteckt haben.
In Kolumbien wurde die Kirchenzentrale geschlossen und Homeoffice verordnet. Alle Kirchenveranstaltungen wurden vorerst suspendiert. Die Synode der lutherischen Kirche (IELCO) wurde abgesagt. Die Pfarrer*innen der Kirche wurden aufgefordert, kreative Wege zu finden, um die Gemeinde trotz verordneter Distanz zusammenzuhalten. „Wir sind in dieser Krisenzeit dankbar, dass wir die Unterstützung durch das Gebet unserer Glaubensgeschwister weltweit haben. Und wir danken auch besonders dem GAW für alle Unterstützung. Wir werden für euch alle dort beten!“ schreibt Bischof Atahualpa Hernández.
Aus Chile erreicht uns von Pfarrerin Nicole Oehler ein Brief über die Situation gerade an der lutherischen Schule Belén Villa O´Higgins: „Hier wurden die Schulen geschlossen – zunächst für 14 Tage. Aber es wird sich deutlich länger hinziehen… Und leider müssen unsere Freiwilligen auf Anweisung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) noch diese Woche das Land verlassen, um nach Deutschland zurückzukehren. Darüber sind wir alle sehr traurig! … Chile rutschte sozusagen von einem Ausnahmezustand in den nächsten – was es für das Land wirklich nicht einfacher macht. Die Volksabstimmung über eine neue Verfassung soll verschoben werden – darüber sind sich alle einig, aber nicht auf wann. Die sozialen Probleme werden durch Corona noch verschärft und es bleibt abzuwarten, wie sich alles weiterentwickelt.“
Der Rückruf der Freiwilligen betrifft alle Länder. Das GAW Württemberg musste die Rückkehr der GAW-Freiwilligen organisieren. Ein wichtiges Jahr im Leben der jungen Engagierten musste abgebrochen werden. Und unklar ist, wie es mit dem neuen Jahrgang ab Sommer weitergehen wird. Auch für die Empfängerkirchen – wie z.B. die Ev. Kirche am La Plata (IERP) – hat der Abzug der Freiwilligen erhebliche Auswirkungen. Die jungen Menschen werden fehlen!
Aus Aleppo in Syrien erreicht uns eine sehr besorgte Mail des Pfarrers Ibrahim Nseir von der arabisch-evangelischen Gemeinde der NESSL. Auch hier sind alle Schulen – auch die evangelischen – geschlossen worden. Wie bei den armenischen Schulen wird versucht über digitale Wege die Schüler*innen zu unterrichten. „Ich bin nicht überzeugt, dass die Gesundheitsversorgung dieser Krise standhalten kann,“ schreibt Pfarrer Nseir. „Ich mache mir große Sorgen um unsere Gemeindemitglieder. Wahrscheinlich wird man nur in Damaskus gesundheitlich adäquat versorgt werden können. Aber in dem krisen- und kriegsgeschüttelten Land wird das flächendeckend nicht funktionieren. Viele haben große Angst.“ Er beschreibt die verheerende Situation in Aleppo hinsichtlich der Lebensmittelversorgung. „Das schwächt das Immunsystem der Menschen zusätzlich!“ Und dann bittet er konkret um Hilfe. Mit einem Hilferuf wendet sich auch Pfarrer Haroutune Selimian an das GAW, um die Poliklinik an der evangelischen Bethelkirche zu unterstützen. Insbesondere bittet er um Hygieneartikel und entsprechende Unterstützung für die Ausstattung.
Mit bewegenden Worten schildert Pfarrerin Dorothee Mack von der Waldensergemeinde in Mailand die Lage in der Lombardei in Italien: „Den letzten Gottesdienst in unserer Kirche feierten wir am Sonntag, den 23.2.. Dann kam es Schlag auf Schlag. Zuerst die Schulen zu, dann durfte keinerlei Grossveranstaltung mehr sein. Da in den allermeisten protestantischen Gemeinden in Mailand jeden Sonntag mehr als 100 Menschen zusammen kommen und die Gottesdiensträume im Normalfall nicht riesig sind, war uns schnell klar, dass wir nicht garantieren konnten, die Gottesdienste ohne Ansteckungsgefahr zu feiern… Warum es so wichtig ist, direkten Sozialkontakt zu vermeiden, ist inzwischen auch in Deutschland verstanden worden. Hier in der Lombardei ist die Lage in den Krankenhäusern sehr kritisch. Auch wenn diese Region eigentlich medizinisch top ist. Es gibt einfach zu viele Patienten, die aufgrund der Lungenentzündung doch intubiert und intensiv behandelt werden müssen. – Bergamo ist die am schlimmsten betroffene Stadt. Fast 400 Tote in 7 Tagen. Selbst die Bestatter schaffen kaum mehr ihre Arbeit. Die Särge werden in Kirchen untergebracht, weil in den Leichenhäusern kein Platz mehr ist. 8 Priester sind dort inzwischen gestorben, dem protestantischen Kollegen geht es Gott sei Dank noch gut. 4 Menschen seiner Gemeinde (ca. 250 Gemeindeglieder) sind am letzten Wochenende gestorben. Eine Beerdigung war nicht erlaubt, bei manchen war es möglich, dass der Pfarrer in den Tagen vor dem Tod am Telefon gebetet hat. Wenn eine Person stirbt, dann ist zumeist die ganze Familie in Quarantäne. Alle leiden unter Einsamkeit! Brescia und Cremona sind auch in einer sehr kritischen Lage; in Mailand selbst gibt es bisher noch nicht ganz so viele Fälle. Obwohl die Hausärzte viele Menschen am Telefon betreuen, die über Fieber und Kopfweh klagen, dann aber doch nicht auf das Virus getestet werden, solange sie kein Krankenhaus brauchen.“ Und sie beendet ihren bewegenden Brief: „Ich hoffe, dass es in Deutschland nicht zu “italienischen” Verhältnissen kommen wird, und dass Deutschland und die anderen europäischen Länder von Italien lernen, und dass gerade die Kirchen einen Beitrag zur europäischen Solidarität leisten können, indem wir füreinander beten und unsere Beziehungen trotz der Wüstenzeit verstärken.“ Die Lage in Italien ist besonders dramatisch.
Das wir alle in Hoffnung verbunden bleiben, dass EINER da ist, der tröstet, stärkt und Mut macht – in diesem Glauben bleiben wir weltweit verbunden und tragen insbesondere im Gebet die Sorgen und Nöte unserer Partner mit!
Enno Haaks, Generalsekretär des GAW
Kommentare
Brigitte Schulz sagt:
Hallo, toller Artikel! Bitte mehr Artikel dieser Art. Viele Grüße