Cracolândia

„Ich möchte, dass ihr das wenigstens einmal mit eigenen Augen gesehen habt,“ sagt Pastor Federico Ludwig als er mit seinem Auto auf dem Weg zu einem Gemeindeausflug abbiegt. Nicht weit von der Lutherkirche im Stadtzentrum entfernt lenkt er den Wagen anfangs an auf dem Boden liegenden Drogenabhängigen vorbei. Dann werden es immer mehr. Plötzlich in einem Straßenzug ist alles überfüllt von Menschen, die heruntergekommen sind, ausgemergelt und kaputt. Lauter Crack-Abhängige, die sich hier zusammengefunden haben. „Das ist Cracolândia,“ sagt Federico. Ein beißender Gestank liegt in der Luft aus Kot und Urin. Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich hier eine weltweit einmalige Situation entwickelt vor der die Stadtregierung ratlos davorsteht. Hat man immer mal wieder versucht mit Programmen, die Menschen von der Strasse und diesem Elend wegzubekommen und sie wieder zu integrieren gab es jedoch meistens eine Politik der harten Hand. Mit Polizeigewalt versucht man Cracolândia immer wieder aufzulösen. Man

verschob damit immer nur das Problem. Nach kurzer Zeit fanden sie sich in einem anderen Straßenzug wieder zusammen. Die Politik der neuen Bundesregierung unter Bolsonaro wird die Situation eben so wenig in den Griff bekommen. Bestrafung steht hier an erster Stelle, das Recht auf Gesundheit wird verletzt. Polizeigewalt und Repressionen sollen wirken. Nur – die Vergangenheit in Cracolândia hat gezeigt, dass das nicht funktionieren wird.

Crack ist in Brasilien weit verbreitet. Rund eine Million der gut 200 Millionen Einwohner des Landes sind süchtig – ein tragischer Weltrekord. Wer sich in den Schlingen der Droge verfängt, verliert erst seinen Job, dann die Familie und landet in der Regel auf der Strasse. Die heruntergekommenen Stadtquartiere, in denen besonders viele Cracksüchtige leben, heissen umgangssprachlich Cracolândia, Crackland. Es gibt sie auch in anderen Grossstädten wie Rio de Janeiro, Manaus und Salvador. In Sao Paulo ist es weltweit jedoch einmalig.

„Ich rechne damit, dass auch hier sich die Situation verschärfen wird, denn die schlechten wirtschaftlichen Aussichten haben Folgen für die Menschen,“ sagt Federico.