Kirchenpräsident Germán Loayza |
„A mi nada me quita la coca! (Mir nimmt keiner meine Koka weg!) – das sagte mein Vater, als Ende der 1960er/ Anfang der 1970er Jahre sich langsam Widerstände gegen nordamerikanische Missionare regten,“ erzählt Germán Loayza, der seit diesem Jahr als Kirchenpräsident die Iglesia Evangélica Luterana en Bolivia (IELB) leitet. Es ging dabei um die Auseinandersetzung, worauf die indigenen Mitglieder der von den Missionaren gegründeten Gemeinden verzichten müssten, um „richtig“ Christ zu sein. Koka stand für die Missionare an erster Stelle ihrer „schwarzen Liste“. „Für Aymara ist Koka aber Leben,“ erklärt Germán.
Koka ist das heilige Produkt von Pachamama, der Mutter Erde, und von zentraler Bedeutung für die andine
Im haus der Kirchenleitung der IELB |
Kultur und Religion. Seit Jahrtausenden wird auf diesen Terrassenplantagen Koka gesät. Vermengt mit Speichel und Kalk oder Kalium setzen die Blätter im Mund ein Alkaloid frei, das Hunger betäubt, Erschöpfung lähmt, leicht berauscht. Kein Wunder, dass die Missionare das nicht mochten. Auch die traditionellen indigenen Musikinstrumente wurden verboten, von indigenen Ritualen ganz zu schweigen. Wer da nicht mitmachte, schloss sich aus der Gemeinschaft aus. Aber kann man Menschen ihre Identität rauben und sie zwingen, anders zu sein?
Kirchenleitungsgebäude der IELB in la Paz |
Die Auseinandersetzung, was mit dem christlichen Glauben vereinbar ist und was nicht, ist nach wie vor eine Herausforderung zum Dialog in der Kirche. „Der steht immer wieder an!“ sagt Germán, „denn unsere Pastoren sollen ja für das Volk da sein und nicht für ihre Gemeindemitglieder alleine. Sensibel diese kulturell jahrtausende geprägten Dinge wahrzunehmen, zu hinterfragen und die Frage des Möglichen zu ergründen – dazu sind wir gerufen.“ Nicht einfach. Für die Missionare war klar, dass es keine Kompromisse gibt. Nur – sie hinterfragten eben so wenig ihre Missionsstrategie, dass sie mit ihrem Glauben auch ihr kulturelles Denken, Überlegenheitsgefühl und auch ihr ökonomisches Denken mitbrachten. Dialogfähig waren sie nicht.
„Als wir 1971 unsere lutherische Kirche als Kirche in Bolivien gegründet haben, hatten wir nichts. Die Missionare ließen uns keine andere Wahl“, erzählt Germán. „Die Gottesdienste und Bibelstunden haben wir auf den Strassen oder in Häusern von Mitgliedern gefeiert. Mühsam haben wir nach und nach Kirchen und Gemeindehäuser errichtet. Die Missionare sind mit ihrem Besitz geblieben. Nichts wurde uns überlassen.“ So war die IELB auf Spenden und Stiftungen der Gemeindemitglieder angewiesen. Nur – die Grundstücke wurden nicht auf den Namen der Kirche überschrieben, sondern blieben im Besitz der schenkenden Familie. „Wir hoffen nicht, dass das in Zukunft Probleme bringen wird, dass Enkelkinder z.B. die Kirche einfach übernehmen …“ Germán erzählt noch, dass sie als Indigene mühsam lernen mussten, die Missionare zu hinterfragen und nicht alles hinzunehmen. „Das schätze ich an der lutherischen Kirche, dass sie das Gewissen schärfen will. Die Missionare haben das jedenfalls bei uns erreicht“, sagt Germán lächelnd.
Die IELB hat 120 Gemeinden und 10 Predigtstellen. Ca. 15.000 Gemeindemitglieder gehören zur Kirche. Die Pastoren arbeiten ehrenamtlich und bekommen keinen Lohn. Es gibt inzwischen zwei ordinierte Pastorinnen und fünf ausgebildete Theologinnen. „An der Frage der gleichberechtigten Beteiligung der Frauen müssen wir weiter arbeiten“, sagt Germán. „Da haben wir noch einiges zu tun, denn die Frauen sind die aktivsten. Die Männer sind aber dann mehrheitlich in den Gremien …“
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