Vize-Ministerin Emanuela Del Re, daneben Prof. Paolo Naso
mit Pfr. Hans Rapp (Schweiz)

Der italienische Innenminister Matteo Salvini bestimmt derzeit das Bild, das die italienische Politik nach außen abgibt. Er hat es mit populistischen und nationalistischen Tönen geschafft, enormen Zulauf der Wählerschaft für seine Partei „Lega“ zu gewinnen. Mit vielen Halbwahrheiten, Vorurteilen und Gerüchten stillt er die Sehnsucht nach klaren Wahrheiten. Er gibt vor, was die Probleme des Landes sind: betrügerische Migranten, diebische Politiker, die verbrecherische Mafia, die heuchlerische Presse und die Millionen hart arbeitender kleiner Leute, die mit ihren mickrigen Löhnen nicht mehr über die Runden kämen. Das kommt an. Es verschreckt die, die in einer komplizierten Welt versuchen, zu prüfen, was denn wahr ist. 

Beim Runden Tisch der Waldenserkirche hat es Professor Paolo Naso – aktiver evangelischer Christ und Mitglied der Wadenserkirche – geschafft, die Vize Außenministerin Emanuela Del Re zu einem Gedankenaustausch mit den deutschen und schweizerischen Partnern der Kirche zu gewinnen. Sie selbst ist erst mit der aktuellen Regierung in Amt und Würden gekommen. Selbst ist sie Professorin und wurde von der „Fünf-Sterne-Bewegung“ gewonnen, in die Regierung einzutreten. Hört man ihr zu, dann verkörpert sie genau das Gegenteil von dem, was Matteo Salvini als Wahrheit verkauft. Sie betont, dass Italien als Gründungsmitglied der UNO zur Achtung aller Menschenrechte steht. Sie betont, wie wichtig Europa ist für die Lösung vieler Probleme. Das Flüchtlingsproblem sei kein italienisches Problem bloß weil Italien südlich gelegen ist und die Nähe von Afrika nach Europa so dicht. Sie betont, dass sie zu den sog. Humanitären Korridoren steht, d.h. dass Flüchtlingen in Lagern, die unter extremer Not leiden ein legaler Weg nach Europa ermöglicht wird. – Hört man ihr zu, dann scheint sich einiges zu relativieren, was man an populistischen Tönen aus der Regierung hört. Sie redet und spricht ganz anders als ihr Innenminister. Und man glaubt ihr. 

Wie kann es denn sein, in solch einer Regierung zu sein, wenn man total entgegengesetzter Meinung ist – wird sie gefragt. „Es ist notwendig, in dieser Regierung ein Gegengewicht zu haben!“ sagt Del Re. „Wir wollen Dialog und ausgleichen. Ich stimme mit Salvini in den meisten Punkten nicht überein. Aber über ihn wird auch in den Medien überzogen berichtet und nicht immer wahr,“ meint sie. 

Ob das gelingen kann? Wie reagiert man als Kirche darauf? 

Gottesdienst am Sonntag Judika 2019 in der römischen Waldenserkirche

Kurz darauf predigte der Waldenserpfarrer Jens Hansen über die Pilatusfrage aus dem Johannesevangelium: „Was ist Wahrheit?“ in der römischen Waldenserkirche.

Er sagte: „Die Wahrheit kann man nicht haben. Die Wahrheit steht nicht zu unserer Verfügung. Die richtige Art, die Wahrheit zu leben, ist Beziehung: in Beziehung mit dem zu treten, der die Wahrheit ist. Diese Beziehung verwandelt. – Pilatus ist dazu ein Beispiel, seine Worte im Johannesevangelium zeigen das: Seht, welch ein Mensch – sagt er am Ende und verweist auf Jesus. Pilatus verändert sich, allerdings ohne über seinen Schatten zu springen. Wir können uns viel radikaler verändern lassen, indem wir davon Abschied nehmen, die Wahrheit als Besitz zu sehen, und unsere Beziehung mit der Wahrheit wird uns dann auch kritischer machen gegenüber dem, was uns über Internet oder TV nach Hause kommt. Nicht von ungefähr hat mein Gemeindepastor uns gelehrt, nicht alles für bare Münze zu nehmen, sondern zu prüfen, bevor wir uns eine Meinung bilden. Die Beziehung zur Wahrheit verändert dann auch unsere Beziehungen zum Nächsten und zur Schöpfung.“ Und weiter sagte er: „Wenn die Bibel von Wahrheit spricht, verbindet sie immer die Wahrheit mit Gott und mit dem Heil, das Er bringt. Dazu denken wir an die Worte Jesu der sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Jesus selbst sagt nicht “ich habe die Wahrheit” sondern “ich bin die Wahrheit.” – Wir lernen also, dass man die Wahrheit nicht haben kann, dass die Wahrheit nicht zu unserer Verfügung steht. Die richtige Art, die Wahrheit zu leben, ist Beziehung, in Beziehung mit dem zu treten, der die Wahrheit ist. Diese Beziehung verwandelt.“ 

Und darum geht es für uns als Kirchen: diese Wahrheit immer wieder ins Leben hineinzubringen und alle, die uns verkauften Wahrheiten zu relativieren. Das ist ein Weg, sich mit populistischen und nationalistischen Bewegungen auseinanderzusetzen und ihnen etwas entgegenzusetzen. 

Im Gottesdienst in der römischen Waldenserkirche saßen neben Italiener viele Migranten – Filipinos, Latinos, dazu etliche Gäste. Ein bunter Haufen von Menschen, die die eine Wahrheit verbindet: Jesus Christus.