Eugenio Bernardini (Mitte)

„Die italiensiche Gesellschaft ist tief verunsichert. Nach den Wahlen in Italien gibt es keine regierungsfähige Mehrheit. Auch Neuwahlen würden sehr wahrscheinlich keine Mehrheit herbeiführen,“ sagte Moderator Eugenio Bernardini von der italienischen Waldenserkirche bei einer Tagung mit den Partnern seiner Kirche in Düsseldorf. Das sei frustrierend, denn die Hoffnung auf Erneuerung der Politik sei damit wieder und wieder enttäuscht worden. Auch die, die meinen für eine Erneuerung zu stehen, wie es Beppe Grillo von der Fünf-Sterne-Bewegung oder jüngst wieder Silvio Berlusconi vorgaukeln, sei nichts als ein Beispiel einer klamaukhaften Politikidee. Zudem: Es gäbe heute in Europa keine andere Partei, die es mit Systemopposition und Antipolitik so weit gebracht habe wie die Fünf-Sterne-Bewegung. Das sei aber eher als Antwort zu verstehen, dass die traditionelle Politik in Italien versagt habe. „In ganz Europa ist so etwas zu beobachten – selbst in Deutschland,“ meint Bernardini. In Italien käme aber verschärfend hinzu, dass man meint, dass mit Politikern wie Grillo oder Berlusconi, sich nicht ernsthaft sich etwas zum Besseren wandeln könnte. Trotzdem wählt man sie. Dahinter sitze eine resignative Überzeugung in Italien, dass es sich für den Einzelnen nicht lohnt, sich auf den beschwerlichen Weg vom abhängigen Klienten zum selbstbewussten Bürger zu machen. Am Ende werde doch alles beim schlechten Alten bleiben. Und zwar nicht nur deswegen, weil die Eliten verdorben sind, sondern eben auch, weil die Mehrheit der Bürger den schwierigen Aufbruch gar nicht wagen will. 

Neben dieser tiefen politischen Krise des Landes kommen die wirtschaftlichen Nöte hinzu. Gerade junge Leute wandern deshalb aus. Ein weiterer Aspekt der Verunsicherung liegt in den Fragen der Einwanderung. 5 Millionen Migranten sind in den vergangenen 15 Jahren nach Italien gekommen – 8 % der Bevölkerung. Das alles verstärkt die Frage nach der Identität und die Sehnsucht nach Abschottung.

„Bis in unsere Kirche hinein sind die Verunsicherungen zu spüren. Und wir fragen uns, wie wir in dieser globalisierten und sich rasant verändernden Welt eine missionarische Kirche sein können, die offen ist für die Herausforderungen unserer Zeit. Wir können und dürfen uns nicht abschotten und wir haben einen Auftrag gegen Verunsicherungen und Ängsten die frohe Botschaft zu setzen, die darauf baut, dass wir in keiner Zeit gottverlassen sind,“ sagt Bernardini. Wichtig sei deshalb das Programm „Gemeinsam Kirche sein“ der Waldenserkirche, das versucht, Migranten in die Kirche zu integrieren. Seit mehr als 20 Jahren gibt es das Programm. Auch wenn die Mehrheit der Verantwortlichen und der Gemeindemitglieder hinter dem Programm stehen, so gibt es doch Ermüdungserscheinungen. Die Kirche wächst nicht, denn sobald Migranten gut integriert sind und dann auch noch die italienische Staatsbürgerschaft erhalten, zieht es sie eher Richtung Nordeuropa und sie gehen der Waldenserkirche verloren. Die Kirche steht zu diesem Programm, denn es ist ein Zeichen gegen die Verunsicherungen in der Gesellschaft.