„All die Flüchtlinge die auf Lampedus ankommen sind keine Nummern. Sie sind Menschen und angewiesen wie wir, dass sie als solche angesehen werden“, sagt Alberto, einer von vier Mitarbeitern von Mediterranean Hope (MH). Sie leben auf Lampedusa, der Insel, die für viele Flüchtlinge zur Hoffnung geworden ist auf dem Weg nach Europa. Es ist quasi die einzig verbliebene Route übers Mittelmeer, nachdem der Weg über Griechenland geschlossen ist.

Auslöser für MH war der 3. Oktober 2013. Damals ertranken 368 Menschen vor Lampedusa. Darauf beschlossen die Waldenser, zusammen mit anderen protestantischen Kräften in Italien, auf Lampedusa eine Beobachtungsstelle aufzubauen.

Paolo Naso (li.), daneben Alberto

Mediterranean Hope ist ein Projekt der Föderation der Evangelischen Kirchen Italiens zusammen mit der Tavola Valdese, das angesichts der Abschottungspolitik der Europäischen Union und des damit verbundenen ständigen Sterbens von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer entstanden ist. Die Mitarbeiter von MH haben die Erlaubnis, im abgesperrten Teil des Hafens bei der Ankunft der Bootsflüchtlinge anwesend zu sein. „Wichtig ist, dass die Flüchtlinge nicht nur von Polizisten in Uniform und medizinischem Personal mit Mundschutz empfangen werden, sondern auch von Menschen, die ihnen zuhören“, sagt Alberto. „Und wichtig ist es, dass wir ihre Geschichten sammeln und weitererzählen, denn die meisten haben guten Gründe den lebensgefährlichen Weg übers Meer anzutreten. Beim Ankommenden gibt es eine Erstversorgung mit Wasser, Keksen und Wärmedecken. Oft müssen die Flüchtlinge drei oder mehr Stunden auf der Mole warten. Anschließend werden die Flüchtlinge mit einem Bus ins nahe Durchgangszentrum gefahren. Mehr als 72 Stunden sollte der Aufenthalt der Flüchtlinge auf Lampedusa nicht dauern, bis sie in Schiffen in die Empfangszentren auf Sizilien gebracht werden. Dennoch verbringen manche über einen Monat auf der Insel, in der es eigentlich nichts gibt. 

MH konzentriert sich auf zwei eng miteinander verknüpfte Bereiche, die sich in zwei Einrichtungen auf Lampedusa und in Scicli konkretisieren:

Da ist auf der einen Seite das „Beobachtungsstation (Osservatorio)“ auf Lampedusa mit dem Team, zu dem Alberto gehört. Hier werden zum einen Beziehungen unterschiedlicher Art gepflegt: zu den relevanten Institutionen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, zur lokalen Bevölkerung sowie zu Vereinen und Nichtregierungsorganisationen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene

Daneben werden Informationen gesammelt und verbreitet über die Situation der ankommenden Flüchtlinge, eventuelle Menschenrechtsverletzungen und das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren geregelter Asylverfahren. Ziel ist es eine nationale Vernetzung zu erreichen zum Informationsaustausch, zur Aufnahme der Flüchtlinge, zur politischen Mobilisierung und kulturellen Sensibilisierung.

Als zweite Einrichtungen ist da das Haus der Kulturen in Scicli auf Sizilien. Hier werden ca. 30-40 Flüchtlinge in einer Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen, die Orientierung und Bildung bietet, Vor allem werden hier interkulturelle soziale Angebote für die Flüchtlinge und die ortsansässige Bevölkerung gemacht, die der Integration dienen sollen.

Ein wichtiger Baustein der Flüchtlingsarbeit von MH sind zudem die Humanitären Korridore. Durch ein Abkommen mit dem italienischen Staat ist es gelungen, auf legalem Wege Flüchtlingen in Not im Libanon und in Marokko ein humanitäres Visum für Italien auszustellen . 1.000 Flüchtlinge sollen so auf diesem Wege nach Europa kommen dürfen. Schleppern soll so ihr Geschäft genommen werden. „Die humanitären Korridore, durch die MH für Flüchtlinge eine sichere, legale und kontrollierte Einreise nach Italien organisiert, sind ein zwar kleines, aber wegweisendes Mittel, um Menschlichkeit zu zeigen“, sagt Paolo Naso, der für die Waldenserkirche MH leitet. „Uns leitet bei unserer Arbeit ein Ausspruch von Martin Luther King“, sagt Paolo Naso. „Die Feigheit fragt ‚Ist es sicher?‘ Der Opportunismus fragt ‚Ist es diplomatisch?‘ Die Eitelkeit kommt dazu und fragt ‚Ist es populär?‘ Doch das Gewissen fragt nur ‚Ist es richtig?‘ und es kommt eine Zeit, in der man eine Position einnehmen muss, die weder sicher, noch diplomatisch, noch populär ist, die man jedoch einnehmen muss, weil einem das Gewissen sagt, dass sie richtig ist.“