Fünf Fragen an Enno Haaks, Generalsekretär des
Gustav-Adolf-Werks e.V. (GAW), über die Verbindung von Religionsfreiheit mit
dem Recht auf freie Meinungsäußerung, die Unterstützung von evangelischen
Christen in der Diaspora und deren Situation in Syrien.

Enno Haaks, Jahrgang 1963, stammt aus Schleswig-Holstein. Er
studierte in Kiel und Erlangen Theologie und war danach zunächst Pfarrer in
Pinneberg. Von 2001-2009 war er Geistlicher der zweisprachigen
evangelisch-lutherischen Versöhnungsgemeinde in Santiago de Chile. Seit 2010
leitet er als Generalsekretär des GAW in Leipzig – das Diasporawerk der
Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihm ist es ein Herzensanliegen, sich für
evangelische Minderheitskirchen einzusetzen, denn am Umgang mit Minderheiten
entscheidet sich in einer Gesellschaft, wie offen sie ist und wofür sie
einsteht. Insofern ist die Arbeit im GAW für ihn hochaktuell.

Frage: Was können wir heute von Gustav Adolf lernen?

Enno Haaks: Das GAW trägt seit seiner Gründung 1832 den
Namen des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf. Dieser hatte sich in einer Situation
schützend vor Protestanten gestellt, als sie in Deutschland schwer bedrängt
wurden. Es ging bei der Namensgebung nie um eine Verehrung des Schwedenkönigs,
sondern eher um Inspiration dafür, mit Evangelischen, die bedrängt und
benachteiligt werden, solidarisch zu sein gemäß dem Bibelwort aus Galater 6:
„Lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist an des Glaubensgenossen.“ Wir
haben als Evangelische Verantwortung auch füreinander.

Insofern gilt es nicht, von Gustav Adolf zu lernen, sondern
sich von der Botschaft des Evangeliums zu guten Taten anregen zu lassen.

Frage: Welche Aufgabe
hat Ihr Werk und wo tritt es in Erscheinung?

Enno Haaks: Das GAW will weltweit evangelischen Gemeinden
helfen, ihren Glauben an Jesus Christus in Freiheit zu leben. Dafür braucht es
nach außen sichtbare „schöne“ Kirchen, damit sich die Gemeinden versammeln und
gemeinsam auf „evangelische“ Weise ihren Glauben leben können. Das GAW hilft
dabei, Kirchen zu bauen und zu erhalten. Das gleiche gilt für Pfarr- und
Gemeindehäuser, evangelische Kindergärten, Schulen und diakonische Projekte. In
Chile hat auch meine Gemeinde Hilfe vom GAW erhalten. Daher weiß ich aus
eigener Erfahrung, wie wichtig das GAW für evangelische Minderheitskirchen ist.

Frage: Wie ökumenisch
kann ein konfessionell geprägtes Gustav-Adolf-Werk sein?

Enno Haaks: Das GAW war von Anfang an ein Werk, das FÜR
etwas stand: für evangelische Minderheiten, für eine Solidarität mit ihnen,
dafür, dass sie nicht vergessen werden. Dabei war das GAW nie eine Gründung
gegen eine andere Kirche. Im Gegenteil wollte und will das GAW helfen, dass das
Evangelium von Jesus Christus vielstimmig zur Sprache kommt. Vom theologischen
Austausch und von der lebendigen Ökumene vor Ort profitieren auch die
Mehrheitskirchen – wenn sie es zulassen.

Frage: Sie
unterstützen unter anderem evangelische Christen in Syrien. Welche Nachrichten
erhalten Sie aus der Region? Wie geht es den Gemeinden dort?

Enno Haaks: Das GAW arbeitet mit der Fellowship of Middle
East Evangelical Churches im Nahen Osten zusammen und hilft in Syrien zwei
presbyterianischen Kirchen – einer armenisch- und einer arabisch-sprachigen.
Sie brauchen dringend unsere Solidarität. Trotz des langen Krieges unterhalten
diese beiden Kirchen mehrere Schulen für insgesamt 15.000 SchülerInnen. Diese
Schulen sind für alle offen und ein Ort, an dem Kindern und Jugendlichen ein Stück
Würde und Normalität erfahren. Bildung hilft – wird aber gerade von radikalen
Kräften bekämpft. Denn Bildung ist letztlich eine “Waffe” gegen jede Form von
Polarisierung und Gewalt. Daran halten die beiden Kirchen fest.

Natürlich haben auch viele evangelische Christen das Land
verlassen. Aber die Gemeinden sind nach wie vor stabil, die Gottesdienste voll.
Die diakonische Hilfe in der Nachbarschaft der Kirchen funktioniert. In Aleppo
übernimmt die armenisch presbyteriansiche Gemeinde für die Umgebung die
Wasserversorgung, da sie einen Brunnen im Kirchhof gegraben hat.

Sie brauchen unsere Solidarität und sind dankbar, dass sie
mit unserer Unterstützung Nothilfe leisten können. Dankbar sind sie auch darum,
dass wir für sie beten und sie nicht vergessen.

Frage: Wie nehmen Sie
die Entwicklung der religiösen Unterdrückung weltweit war? Wo sind Protestanten
Verfolgungen ausgesetzt?

Enno Haaks: Die Evangelische Kirche in Deutschland ruft seit
2010 am Sonntag Reminiscere zu einem Gedenktag für „bedrängte und verfolgte
Christen“ auf. Es gibt vermehrt Regionen in der Welt, in denen Menschen Leib
und Leben riskieren, wenn sie sich zum christlichen Glauben bekennen. Wichtig
ist uns als GAW die Einbettung des Engagements für christliche Glaubensgenossen
in den grundsätzlichen Einsatz für die Geltung der Menschenrechte weltweit.

2013 kam mit dem “Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit
von Christen weltweit” zum ersten Mal eine Studie von der Evangelischen Kirche
in Deutschland  und der katholischen
Deutschen Bischofskonferenz heraus, um ein differenziertes Bild der Situation
zu beschreiben. Bestätigt wird, dass weltweit immer mehr Menschen bei der
Ausübung ihres Glaubens bedrängt werden. Christen sind besonders dort
gefährdet, wo sie gesellschaftlich in einer Minderheitenposition sind und in
einem autoritär regierten Staat leben. Mit Vorsicht betrachten wir den
sogenannten”Weltverfolgungsindex“. Nicht in jedem Fall haben Verfolgung und
Diskriminierung rein religiöse Motive. Wenn Christen verfolgt werden, werden in
der Regel auch andere Menschenrechte verletzt.

Die Religionsfreiheit ist immer mit dem Recht auf freie
Meinungsäußerung verbunden. Deshalb können wir nicht uns nicht nur für das eine
einsetzen.

(Quelle: https://rogatekloster.wordpress.com/ – Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin)

Weitere Informationen: www.gustav-adolf-werk.de