„Am Sonntag ist doch Kerb“, laden Norberto und Ligia uns
ein, mit nach Parobé zukommen. „Kerb“ – das kenne ich aus Süddeutschland als
„Kerwe“ – ist das Kirchweihfest. Es wird in Parobé immer im Oktober
gefeiert, meistens am letzten Sonntag. Norberto war die letzten13 Jahre vor
seinem Ruhestand Pfarrer in Parobé. So ist der Besuch zum Gemeindefest für ihn
auch so etwas wie ein Nachhausekommen.

Für das junge Pfarrerehepaar, Mariana Mayer Kempf und Elmo
Kempf, ist es das erste Kerb-Fest. Sie sind erst seit März 2015 in Parobé und
teilen sich die Stelle, auch den Gottesdienst. Ein wenig nostalgisch begrüßt
Pastora Mariana die Gemeinde mit „Guten Morgen“, wird aber später zugeben, dass
sie kaum Deutsch kann, auch wenn ihr Familienname die deutschen Wurzeln
erkennen lässt. Eine gewisse deutsche Nostalgie, für uns etwas befremdlich,
sind die Streifen in den deutschen Nationalfarben neben dem Parament auf dem
Altar und die schwarz-rot-goldenen Schleifen an den Bänken. Aber sonst ist
alles brasilianisch.

Die Gemeinde, die zum Gottesdienst zahlreich erschienen ist,
wird an die 98 Jahre ihrer Geschichte erinnert. 
„Para que serve a igreja? Wozu dient die Kirche – 98 Jahre lang?“ So
beginnt Pfarrer Elmo seine Predigt zu Markus 10,46-52, der Geschichte vom
blinden Bartimäus. Am Schluss des Gottesdienstes wird ein neues Plakat
enthüllt: „Wir sind Christen. Lutheraner seit 1917“. Das erntet lauten Beifall.

Dann geht das Fest über zum traditionellen Churrascoessen
mit einem Bazar der Frauenhilfe und anschließender Polonaise. Damit dient „Kerb“
auch als Einnahmequelle für die Gemeinde. Pastora Mariana und Pastor Elmo haben
die Talare gegen Trachten getauscht und mischen sich unter die Gemeinde. Auch
viele andere sind in einer Tracht erschienen, die sich für uns nicht genau
zuordnen lässt, aber irgendwie ein nostalgisches Bild von Deutschland
vermittelt. Gelegentlich werden wir angesprochen: „Ach, ihr seid von
Deutschland?“ Und einer sagt ganz erstaunt: „Ihr seht ja genauso aus wie unsereins?“

Als wir das Kirchengelände verlassen, entdecken wir die
großen Plakate, die mit dem Bild von Martin Luther und der Lutherrose auf die
500-jährige Wiederkehr der Reformation aufmerksam machen: Die Evangelische
Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB) versteckt sich auf dem
großen Markt der Kirchen in Brasilien nicht. So hat sie auch ihr Jahresmotto
gewählt: „Wir sind eine Kirche des Wortes“.

Vera Gast-Kellert,
ehemalige Leiterin der GAW-Frauenarbeit

Übersetzung der Plakattexte:

1517 – 2017

500 Jahre Reformation

Lesen Sie die Bibel?

Martin Luther hat die Bibel für die ganze Christenheit
übersetzt

Glauben Sie an Christus?

ER kommt zu uns aus Gnade: durch den Glauben

Wer sind wir?

Die Kirche Christi ist in beständiger Reform