Arnaud Touvoli mit Mitgliedern der evangelisch-lutherischen

Gemeinde in Venedig. Foto: Prigge

Arnaud Touvoli stammt aus Westafrika, von der Elfenbeinküste. Ende März dieses Jahres wurde der 25-jährige Asylbewerber, der mit seiner Trommelgruppe Trokiwa für den niedersächsischen Integrationspreis „Zuflucht Niedersachsen“ nominiert war, aus Deutschland abgeschoben … noch vor der Preisverleihung, zu der er eingeladen war. Arnaud Touvoli muss seinen Asylantrag nach dem Dublin III-Abkommen in dem Land stellen, in dem er europäischen Boden betreten hat. Italien.

Der junge Mann fand zunächst Zuflucht bei der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Venedig und lebte dort 10 Wochen lang in der Sakristei. Inzwischen hat er über die Gemeinde ein Zuhause in einem solidarischen Dorf in Italien gefunden. Pastor Bernd Prigge blickt im aktuellen Gemeindebrief auf die vergangenen Monate zurück und findet bewegende Worte: „Venedig hat 30.000 Hotelbetten, doch nur 50 Plätze für Flüchtlinge. […] Was diese eher abstrakte Zahl im konkreten Fall für Auswirkungen hat, damit war unsere Gemeinde in den letzten Monaten beschäftigt. […] In den letzten vier Monaten habe ich viel gelernt über Venedig ‚ganz unten‘, über rechtliche Fragen, über Behörden und Sozialsystem, über Zwischenmenschliches, darüber wie eine Gemeinde reagiert, wenn sie plöztlich einen Afrikaner aufnimmt, den niemand will. Was gab es an gut gemeinten Ratschlägen, was wir alles tun könnten, an wen wir uns wenden sollten. Es gab viele solidarische Mails, auch Geldspenden trafen ein und doch gab es viele einsame Momente mit diesem komplexen Problem. Wie schrecklich, die Suche eines 25-jährigen von der Elfenbeinküste nach einem Leben ohne Verfolgung und in Frieden vor allen Dingen als Problem wahrzunehmen. […] Ich musste auch eine Menge über mich lernen, der machmal überfordert mit der Situation war, missmutig, ungeduldig und wenig den Geist zum Ausdruck bringend, wie man biblischerseits mit Fremden umgehen soll – und das besonders in einer Stadt, die einst als Flüchtlingsinsel gegründet wurde und die noch heute die Fremden schätzt, allerdings nur solange sie bezahlen. Schnell ereiferte ich mich über das gründliche deutsche Abschiebesystem (wieviel Energie dort in das Abweisen von Menschen statt in ihre Integration gesteckt wird!) und die italienische Ignoranz gegenüber Flüchtlingen (Nicht wir, Europa muss sich kümmern!). Doch Arnaud war nun mal eben nicht irgendein ‚Fall‘, um den sich der Staat zu sorgen hat. Wir wurden mit Bildern und Geschichten konfrontiert, die wir bislang nur aus der Entfernung kannten. […] Und ich finde: Wir sind 100 Gemeindeglieder, kreative Köpfe und viele gute Herzen, mit sogar 200 Händen, und da sollten wir es nicht schaffen, einem Menschen unter die Arme zu greifen? Ein Blick ins Neue Testament ist beachtenswert: Von Menschen die gesegnet sind – wir könnten anführen: mit ihrem europäischen Pass, mit ihrer Bildung, mit Gaben, mit Mitteln – wird auch erwartet, dass sie ihren Segen weitergeben. Segen wird erst dann wirksam, wenn er sich vermehrt, wenn er „unter die Leute kommt“. […] Arnaud hat – nachdem er 10 Wochen in der Sakristei wohnte – ein neues Zuhause gefunden […], für das die Gemeinde aufkommt. Dort macht er einen glücklichen Eindruck, kann seine Musik leben und wird wertgeschätzt. Aber das wird sicher nicht seine letzte Station sein. […]“