Ev. Stadtkirche Hermannstadt

Pfarrer Johannes Toaspern aus der Peterskirche in Leipzig verbringt zur Zeit einen dreimonatigen Studienaufenthalt in Hermannstradt/Sibiu (Rumänien). Er berichtet bewegend von einer Begegnung mit den Kuratoren der Kirchengemeinde von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien in einer Rundmail :

„„So etwas erleben Sie nicht alle Tage!“ Mit diesen Worten hat mich Altbischof Klein bei der Abendandacht für den nächsten Morgen eingeladen. Um zehn Uhr finde ich mich also wieder in der Kapelle ein, die provisorisch während der Bauarbeiten als Gottesdienstraum dient. Hier haben sich etwa siebzig Kuratoren, also die ehrenamtlichen Gemeindevorstände der ganzen evangelischen Kirche A.B. Siebenbürgens zum jährlichen Treffen, dem Kuratorentag versammelt. Was also von der einstmals großen und stolzen Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen nach dem großen Exodus 1990 übrig geblieben ist, lebt in einigen großen, vielen kleinen, sehr vielen sehr kleinen und mehr als dreißig Kirchgemeinden ohne eine einzige Seele und versucht, dieses Leben zu gestalten, ihm Richtung, Halt und Zukunft zu geben. Da sitzen sie in der geheizten Kirche, dichtgedrängt, meist Mittelalter bis weißhaarig, mit ernsten Gesichtern und froh, einander zu treffen und die heimische Mundart zu sprechen. Der Pfarrer spricht ihnen aus dem Evangelium Mut zu, Mut für die kleine Gruppe und in der oft weit verstreuten Vereinzelung, in der Überforderung der meisten, all die auch verwaltungstechnischen Probleme sachgerecht in den Griff zu bekommen. In langer Kette geht es über den Markt ins Bischofshaus. Dort im Saal begrüßt der Landeskurator, ein respektabler Herr von etwa sechzig Jahren, die Anwesenden. Seine Statements sind knapp und wirken müde. Was er an Statistik den Beiträgen voranstellt, ergibt auch keinen Anlass zum Überschwang. Drei Redebeiträge folgen, die die gegenwärtige Situation der Ev. Kirche A.B. und damit gleichzeitig der deutsch-sächsischen Bevölkerung repräsentativ abbilden sollen. Der Pfarrer von Sächsisch Rehen, verantwortlich für das ganze nordsiebenbürgische und das Gebiet der Bukowina (Bistritz) beschreibt, mit wie wenigen Menschenüberhaupt noch umgegangen wird. Am Ende ist sogar von Pläne schmieden die Rede. Ich bewundere den Mut, in so einer Situation den Blick nach vorne zu richten. Mir liegt immer der Begriff vom Pfeifen im Wald auf der Zunge. Die personelle Stärke ist einfach so gering, dass eine z.B. eine qualifizierte Nachwuchsarbeit nur noch in den drei, vier Zentren stattfinden kann. (die noch fünf Gemeinden mit jeweils über 100 Seelen stellen drei Viertel aller Gemeindeglieder). Der Beitrag von Kurator Dr. Zikeli aus Mediasch malte ein ähnliches Bild, etwas weniger dramatisch und mit belastbaren Zahlen untersetzt, ebenso ein Kurator über die Gemeinden außerhalb des Karpatenbogens, im sog. Altreich, wo als nennenswert eigentlich nur noch die Gemeinde in Bukarest existiert. Allen gemeinsam ist, dass hier immense Aufgaben zu bewältigen sind: Die Kirchen(burgen) sind zu erhalten, die Archive zu retten, die nach der Revolution zurückgegebenen Immobilien zu verwalten – und meistens fehlt es an Menschen vor Ort, die das leisten können. Hauptamtliche gibt es außer den wenigen Pfarren weithin nicht mehr, die Ehrenamtlichen haben keine Qualifikation und Zeit, und die Kontakte zu den Behörden, in Rumänien das A und O, sind meist schlecht. So verfällt sehr viel und geht viel einfach verloren, auch eben das, was der Kirche Einnahmen verschaffen könnte. Wie die Zukunft, vor allem die längere Zukunft aussehen wird, malt sich niemand aus. Die Perspektiven der Kirche orientieren sich an Hochrechnungen bis in das Jahr 2015. Da werden es statt der heute 13.021 Seelen noch etwa 12.000 sein. Weiter schaut und plant man nicht. Erstmals. Das ist aber schon in drei Jahren. Ich glaube, so schafft man sich pragmatisch die Luft zum Atmen und behält sich die Hoffnung. Wahrscheinlich kann man es gar nicht anders gestalten.“