Die E-Mail, die aus Jurbarkas eintraf, hätte kürzer nicht sein können, sie war ein einziges Ausrufezeichen: „Endlich hat unsere Kirche das neue Dach!!! Wir sind sehr dankbar und freuen uns sehr!“, schrieb Pfarrer Mindaugas Kairys.
Ein Dach zu fördern ist für das GAW fast das Tagesgeschäft.
„Diaspora braucht Dächer“,
werben wir auf unseren Plakaten und meinen das im direkten Sinne – als ein Dach aus Stein oder Blech über einem Gebäude –, und als eine Metapher – als Dach über dem Kopf, als Zuhause für eine Gemeinde.
Trotzdem ist das neue Dach der lutherischen Kirche in Jurbarkas, Litauen, etwas Besonderes. Nicht nur, weil es so auffällig rot ist.
Jurbarkas kenne ich, solange ich im GAW arbeite. Es gab Zeiten, in denen man den Ort als Beispiel für fehlgeschlagene Projektarbeit heranziehen konnte. Inzwischen ist Jurbarkas aber zum Synonym für geduldige und nachhaltige Partnerarbeit geworden.
Die lutherische Gemeinde in Jurbarkas hatte nach der politischen Wende nur ihr ehemaliges Gemeindehaus vom Staat zurückerhalten. Ihre Kirche war zu Wohnungen umgebaut worden und wurde nicht zurückerstattet. So begann die kleine Gemeinde 1994 – in der Aufbruchstimmung des politisch frei gewordenen Litauens – den Neubau ihrer Kirche. Die rasant steigenden Baukosten überforderten bald sowohl die Gemeinde als auch ihre Partner. Schließlich wurde die Notbremse gezogen, die Schulden bezahlt und der Bau mit einem Notdach gesichert. Die Gemeinde konzentrierte ihre Kräfte auf die Renovierung des Gemeindehauses, auf das Gemeindeleben und auf den Aufbau der Diakonie. Die Partner, darunter das GAW, haben sie trotz des fehlgeschlagenen Bauprojektes nicht allein und nicht im Stich gelassen.
Inzwischen gibt es Pläne, wie aus der Bauruine doch noch eine Kirche werden könnte. Der junge Gemeindepfarrer Mindaugas Kairys – übrigens ein ehemaliger GAW-Stipendiat und neuerdings auch der Direktor der Diakonie in Litauen – treibt sie energisch voran. Ein Anfang ist gemacht: Ein augenfälliges rotes Dach verkündet wie ein Ausrufezeichen, dass es mit der lutherischen Kirche in Jurbarkas vorangeht. Die Gemeinde hat ein Dach bekommen.
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