Aus Syrien erreicht uns heute ein Gruß. Eliana Badran Saad, die Kommunikationsassistentin der Evangelischen Kirche in Syrien und Libanon, berichtet:
„Syrien befindet sich in einer unsicheren, aber entscheidenden Phase. Der Sturz des Regimes von Bashar al-Assad markiert das Ende einer Ära. Das Land befindet sich nun an einem Scheideweg. Die neuen Machthaber gehören der der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) an. Das Mandat der Regierung ist vorübergehend. Während HTS den Minderheiten, einschließlich der Christen, Sicherheit zugesichert hat, bleiben viele besorgt. Die Regierung schiebt umfassende Änderungen im Land an.
Eines der größten Probleme ist der anhaltende Versuch, den Lehrplan in den Schulen zu überarbeiten. Es werden Anstrengungen unternommen, um die Bildungsinhalte so umzuwandeln, dass sie eine islamische Perspektive widerspiegeln. Das ist allerdings eine Veränderung, die unter den christlichen und anderen moderaten Gemeinschaften Syriens Sorgen auslöst. Sie fragen mit Recht, was das für ihre kulturelle und religiöse Identität bedeutet. Die Frage, welche Auswirkungen das auf die Schulen z.B. der NESSL und der evangelischen Armenier haben wird, bereitet Sorgen. Dieser Punkt ist nur einer von vielen, die die syrischen Gesellschaft verändern könnten. Das wird für Christen und andere Minderheiten Auswirkungen haben, ihr Erbe zu bewahren.
Darüber hinaus erlebt Syrien aktuell einen Anstieg von Gewalt und Instabilität. Kriminelle Aktivitäten, einschließlich Diebstahl und Übergriffe, nehmen zu, insbesondere gegen die Alawiten-Gemeinschaft aufgrund ihrer historischen Verbindungen zum gestürzten Assad-Regime. Dies hat zur weit verbreiteten Angst beigetragen insbesondere bei den verschiedenen Minderheiten. In Syrien leben viele ethnische Minderheiten wie Drusen, Palästinenser, Iraker, Armenier, Griechen, Assyrer, Tscherkessen, Mandäer und Turkmenen. Dazu kommen die religiösen Minderheiten, die einer mehrheitlich sunnitischen Mehrheit im Land gegenüberstehen. Die syrische Armee hat die Kontrolle über die Sicherheit im Land verloren; stattdessen sind verschiedene bewaffnete Gruppen, insbesondere HTS, nun die Hauptakteure, die die Ordnung versuchen aufrechtzuerhalten. Sie haben jedoch ihre eigene Agenda.
Während das Land versucht, diese Herausforderungen zu bewältigen, liegt der Fokus darauf, die Grundbedürfnisse der Syrer zu sichern. Die neue Regierung priorisiert die Sicherstellung der täglichen Grundversorgung, die Verbesserung von Dienstleistungen und den Wiederaufbau der Infrastruktur. Diese Bemühungen sind aktuell von großer Bedeutung. In dieser Situation sind die anhaltenden internationalen Sanktionen erschwerend für die Aufbauarbeit. Obwohl die Blockade, die gegen Syrien verhängt wurde, weiterhin besteht, haben einige Golfstaaten ihre Haltung gelockert und versprochen, finanzielle Hilfe ins Land fließen zu lassen.
Die unmittelbare Zukunft bleibt ungewiss. Die neuen islamistischen Machthaber versuchen aktuell, alle Akreure der syrischen Gesellschaft zusammenzubringen. Es heißt, dass Vorbereitungen für ein nationales Dialogtreffen getroffen werden, an dem Vertreter aller Gemeinschaften teilnehmen sollen. Der genaue Zeitpunkt steht jedoch noch nicht fest. Aber dieser Dialog könnte ein wichtiger Schritt sein, um das Vertrauen und den Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gruppen, die durch jahrelangen Krieg gespalten wurden, wieder aufzubauen.
Zusätzlich zu den Herausforderungen in Syrien ist die gesamte Entwicklung im Nahen Osten kompliziert und hat Auswirkungen auf Syrien. Die Wahl eines neuen libanesischen Präsidenten hat sowohl international als auch national breite Unterstützung gefunden und eine optimische Stimmung im Blick auf die politische Stabilität im Libanon geschaffen. Dieser Wandel mindert jedoch nicht die dringende Situation der christlichen Gemeinschaft in Syrien, die sich um ihre Zukunft Sorgen machen.
Für die Christen in Syrien wird die Lage immer prekärer. Die sich verändernden politischen und sicherheitspolitischen Bedingungen, gepaart mit dem Versuch, die Bildungs- und Rechtssysteme des Landes neu zu gestalten, erschweren es, sich eine Zukunft vorzustellen, in der sie sich weiterentwickeln können. Dennoch stehen sie trotz dieser Herausforderungen fest zu ihrem Engagement für Frieden und eine friedliche Koexistenz. Es geht darum, die Religionsfreiheit für die Christen zu sichern, die kulturelle Identität zu bewahren und bei der Schaffung eines neuen, inklusiven Syriens mitzuarbeiten, das von Toleranz, Gerechtigkeit und Gleichheit geprägt ist.
Während wir diesen schwierigen Weg weitergehen, bitten wir unsere Partner in Christus, für uns zu beten und sich für die Zukunft Syriens einzusetzen. Jetzt benötigen wir mehr denn je Eure Hilfe, um für ein Syrien zu arbeiten, in dem alle Bürger, unabhängig von ihrem Glauben, in Frieden und Würde leben können.“
Das GAW unterstützt die evangelischen Christen aus der arabischsprachigen NESSL und der Union Evangelischer Armenischer Kirchen bei ihrer Arbeit. Wir brauchen dafür Hilfe:
Spendenkonto des GAW bei der KD-Bank
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Stichwort: Nothilfe
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