„Im November 2023 haben wir uns gemeinsam getroffen“, erzählt die 29-jährige Juli. „Es war das erste Wiedersehen nach unserer Flucht aus Arzach. Es war schrecklich. 120.00 Armenier mussten damals fliehen. Wir haben um unser Leben gefürchtet. Wir wussten nicht, ob wir heil über den Latschinkorridor nach Armenien kommen. Die sogenannte russische Schutzmacht hat nur zugeschaut und nichts gemacht. In der vorhergehenden Zeit der Blockade haben viele gehungert. Viele hatten Angst um das Leben ihrer Angehörige. Wir hatten panische Angst. Das dreitägige Treffen im November war damals für uns wichtig. Wir waren alle Mitglieder der evangelischen Gemeinde in Stepanakert.“
Das Treffen organisierte die Evangelische Kirche Armeniens mit Unterstützung des GAW. Es hatte zum Ziel die über Armenien verstreuten Menschen zu sammeln, über die Erfahrungen zu sprechen, psychologische Hilfa anzubieten und über die weitere Zukunft zu sprechen.
Die Menschen aus Arzach haben den Status von Flüchtlingen. Sie erhalten, wenn sie keine Arbeit haben, Unterstützung des Staates. Eine volle armenische Staatsbürgerschaft haben sie nicht, denn völkerrechtlich gehörte Arzach zu Aserbaidschan. „Ich habe bei der Regierung von Arzach gearbeitet“, erzählt Juli. „Hier in Armenien ist es mir als Flüchling nicht möglich, für den Staat zu arbeiten. Ich müsste dafür meinen Pass abgeben. Das ist nicht leicht. Denn irgendwie träume ich immer noch davon zurückzukehren“, sagt sie mit Tränen in den Augen.
Tränen flossen Ende Juli in Armavir reichlich. Die evangelische Kirche war gut gefüllt. Seit November haben sich viele nicht mehr gesehen. Das Gemeinschaftserlebnis, das gemeinsame Feiern eines Gottesdienstes, das Reden und das Teilen der Geschichten hatte etwas Heilsames. Die 19-jährige Sona hat ihre Erfahrungen aus dem Krieg 2020 aufgeschrieben und als Buch publiziert. Sie wollte ihr zweites Buch schreiben, das von Liebe und Freundschaft handelt – und dann kamen die Flucht und Vertreibung. Die „Heroes“ ihres zweiten Buches sind ihre Freunde und ihre authentischen Erfahrungen. Mery ist 21 Jahre alt und studiert Deutsch und Englisch in Eriwan. Sie träumt davon, in Deutschland zu studieren. Als die Vertreibung begann, war sie gerade zu Hause in Arzach. „Ich dachte, dass das der letzte Tag meines Lebens ist“, sagt Annie. „Jetzt sind wir hier und gesund und am Leben. Gott sei Dank!“
Die Evangelische Kirche Armeniens will die Geflüchteten ermutigen, sich in Armavir anzusiedeln und dort Arbeit zu suchen. Die gemeinsame Geschichte und die gemeinsamen Erfahrungen sollen bewahrt bleiben und in der Gemeinde in Armavir einen Ort finden. Vier Familien leben schon vor Ort. Die Hoffnung besteht, dass nach diesem Treffen weitere Menschen sich entscheiden, dazuzukommen.
Nur die Kirche muss erweitert und renoviert werden. Dafür hat das GAW Mittel zur Verfügung gestellt. In den kommenden Wochen sollen die Arbeiten beginnen.
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