Pfarrer Mikuláš Vymětal (2. v.l.) 

Aus Tschechien schreibt Pfarrer Mikuláš Vymětal (Minderheitenpfarrer der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder) zu den aktuellen Herausforderungen in der tschechischen Gesellschaft angesichts der Flüchtlinge aus der Ukraine:

Zur Zeit ist das Haupthema in unserer Gesellschaft wie auch in der Kirche der Krieg in der Ukraine. Die militärische Aggression Russlands hat Menschen auf der ganzen Welt tief erschüttert. In der tschechischen Gesellschaft ist die Erinnerung an die sowjetische Okkupation bis 1991, besonders an das Jahr 1968, noch sehr lebendig. Der russische Staat als die Nachfolgerin der Sowjetunion hat sich für die Okkupation nie entschuldigt.

Das Leiden des Krieges weckt in der tschechischen Gesellschaft eine große Welle der Solidarität. Mit dem Stand von 20. März 2022 gab es in der Tschechischen Republik ungefähr 270 000 Flüchtlinge aus Ukraine, meistens Frauen mit Kindern. Die Atmosphäre in der Gesellschaft erinnert an die in Deutschland im Jahr 2015. Einige Menschen bezweifeln, ob diese Solidarität lange andauern wird. Andere helfen einfach, anstatt sich mit Zweifeln aufzuhalten. In vielen Pfarrhäusern und auch in Familien wohnen jetzt Flüchtlinge. Einige kommen auch in unsere Gottesdienste. 

Zugleich ändert sich die Beziehung der Tschechen zu den Ukrainern. Bisher wurden die Ukrainer vor allem als Gastarbeiter wahrgenommen und oft übersehen. Jetzt sind sie ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft geworden, die dank ihnen auch vielfältiger wird. Wir wissen nicht, wie sich die Lage in der Ukraine und mit den Flüchtlingen in unserem Land weiter entwickeln wird. Wir beten für den gerechten Frieden. Ich glaube aber, dass wir als Kirchen auch in dieser Situation noch viel Gutes tun können – und dass uns das stärken wird.