Pfarrer Alexaner Groß

Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine (DELKU) hat ca. 1000 Gemeindeglieder in 15 Gemeinden, die im ganzen Land verteilt sind. Bischof ist seit 2019 Pavlo Schwarz aus Charkiw und der Präsident der Synode Alexander Gross, der in Odessa Pfarrer ist. Er berichtet, wie sich der Krieg auf die Gemeinden ausgewirkt hat: 

„Drei Gemeinden befinden in Gebieten, die von russischen Truppen besetzt wurden: Berdiansk, Smejewka und Schostka. Berdiansk ist eine Großstadt in der Nähe von Mariupol. Dort sind russische Truppen stark präsent und kontrollieren die Stadt. Ukrainische Bürger demonstrieren jeden Tag gegen die Besatzung. Gemeindeglieder berichten, dass die Heizung ausgefallen ist – und das bei Minusgraden. Es gibt nur noch kaltes Wasser und Strom. Die russische Armee hat die Stadt so rasch eingenommen, dass unsere Gemeindeglieder keinerlei Möglichkeit hatten, zu fliehen. Alle sind noch da. Eine Woche vor Kriegsbeginn hatten wir Gott sei Dank noch Geld in diese Gemeinde geschickt. Davon haben sie Lebensmittel gekauft, die sie jetzt verteilen können. Sogar jetzt finden noch Gottesdienste statt.

Smejewka ist ein Dorf in der Nähe von Cherson. Das Gebiet ist offiziell russisch besetzt, aber es sind noch keine russischen Soldaten im Dorf aufgetaucht, wir mir Gemeindeglieder erzählten. Es gibt leider keine Möglichkeit, Lebensmittel ins Dorf zu bringen. Zum Glück haben die meisten Einwohner dort ein bisschen Landwirtschaft und versorgen sich im Moment aus ihren Vorräten. Der Vorsteher der Gemeinde verteilt Brot und Fisch an Gemeindeglieder, denn das Gebiet liegt am Schwarzen Meer.

Schostka ist eine Kleinstadt im Verwaltungsbezirk Sumy im Nordosten, nahe der russischen Grenze. Das Gebiet ist offiziell russisch besetzt, aber auch dort haben die Gemeindeglieder noch keine russischen Soldaten gesichtet. Auch hier gibt es fast keine Lebensmittel mehr zu kaufen.

Wohngemeinschaft für ehemalige Obdachlose in Kiew

Von der lutherischen Gemeinde in der Millionenstadt Charkiw sind die meisten Mitglieder geflohen. Geblieben sind die vor allem die älteren Gemeindeglieder. Die Kirche gibt Lebensmittel an sie aus.

In Kiew hat die DELKU zwei Gemeinden: Die St.-Katharina-Gemeinde liegt im Zentrum der Stadt. Hier können keine Gottesdienste mehr stattfinden, schon allein wegen der fehlenden Transportmöglichkeiten, aber auch weil die Kirche im weitgehend gesperrten Regierungsviertel liegt. Der dort tätige deutsche Pfarrer wurde schon vor fünf Wochen von der EKD abgerufen.

Die Martingsgemeinde in Kiew ist eine neu gegründete diakonische Gemeinde. Ihr Pfarrer Igor Schemigon ist weiter vor Ort und kümmert sich um die Gemeindeglieder, darunter viele ehemalige Obdachlose. Einen Ableger der Gemeinde gibt es im Dorf Andrejewka, in einem Gebiet, das seit 10 Tagen russisch besetzt ist. Seitdem haben wir nichts mehr von dort gehört. Es gibt keinen Strom und keine Telefonverbindung. Die Gemeinde betreibt ein Wohnheim für obdachlose Menschen aus Kiew. Das letzte, was wir gehört hatten, war, dass russische Soldaten in das Wohnheim eingedrungen sind und nach Militärangehörigen gesucht haben. Wir machen uns Sorgen um unsere Schwestern und Brüder.

Einkauf von Hilfsgütern in Kiew

Die Gemeinden in den Städten Poltawa, Alexandria, Krementschuk, Winnyzja im Zentrum der Ukraine sind zu Durchgangsstationen für Flüchtende aus den umkämpften Gebieten geworden. Sie kommen und reisen am nächsten Tag weiter. Die Gemeinden versorgen sie mit Unterkunft und Essen.

Im Bezirk Odessa gibt es drei Gemeinden. Hier im Südwesten ist die Lage noch weitgehend ruhig. Von den Mitgliedern der Stadtgemeinde Odessa sind rund die Hälfte nach Deutschland oder Rumänien geflohen. In den beiden Dorfgemeinden sind aber fast alle dageblieben. Wir feiern weiter Gottesdienste. Allerdings sind alle Mitarbeiterinnen der Kinder- und Jugendarbeit geflohen, sodass diese wichtige Arbeit ruht. In Odessa geht die Suppenküche weiter – wir machen alles, was möglich ist! Ich selbst schicke immer wieder Geld an Familien in Not, Gemeinden und diakonische Initiativen unserer Kirche.“