Kinder in Aleppo, Syrien

„Christliche Kirchen sind gut beraten, nicht nur die Religionsfreiheit, sondern die Freiheitsrechte insgesamt aktiv zu verteidigen“, sagt Sozialwissenschaftler Theodor Rathgeber, der am „Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“ der deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland mitgearbeitet hat. Dem GAW als Diasporawerk ist es ein wichtiges Anliegen, dass Minderheiten zu ihrem Recht kommen. Das beschränkt sich aber nicht nur auf evangelische Kirchen. Wer sich für die Rechte einer Seite einsetzt, dem kann es nicht egal sein, wie es um die Rechte anderer Minderheiten steht.

4 von 5 Menschen weltweit bekennen sich zu einer Religion. Das sind 84 % aller Menschen. Das Recht, eine Religion zu haben, ist ein Menschenrecht. Schlimm ist es, dass dieses Recht in den letzten Jahren verstärkt beschränkt wird. Christen als weltweit größte Glaubensgemeinschaft betrifft es besonders, was nachvollziehbar ist. Allerdings: Es betrifft auch andere Religionen oder Weltanschauungen. Nach dem Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Religionsfreiheit hatten 2018 Menschen in 56 Ländern mit schweren Einschränkungen oder Feindseligkeiten zu rechnen, wenn sie ihren Glauben ausübten. 2007 sollen es nur 40 Länder gewesen sein.

Die Frage nach der Bedeutung der Religion und des Glaubens ist in der globalisierten Welt ein sehr wichtiges Thema. Religion ist ein wichtiger Teil der eigenen Identität. Und Religionen können in einer polarisierten Welt friedensstiftend sein. Diese Kraft der Religionen zu nutzen – dafür hat die Bundesregierung einen Beauftragten für Religionsfreiheit eingesetzt.

Nur – Religionen können auch negativ benutzt werden, um Gewalt auszuüben und eigenen Interessen durchzusetzen. Der Begriff Verfolgung ist deshalb sehr sorgsam zu nutzen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) orientiert sich bei der Definition des Begriffs „Verfolgung“ an der Genfer Flüchtlingskonvention: Jemand wird verfolgt, wenn Gefahr an Leib und Leben besteht und er aufgrund einer bestimmten Zugehörigkeit, zum Beispiel zu einer Nation oder zu einer sozialen Gruppe, nicht auf den Schutz des Staates zählen kann. Deshalb: „Die Rede von Christenverfolgung sollte für Phänomene reserviert bleiben, die deutlich über das Erleiden von Verbalattacken oder bloßen Beleidigungen hinausgehen, so verletzend sie im Einzelfall sein können“, hält der „Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit 2017“ (S. 15) fest.

Insgesamt fehlen seriöse und offizielle Angaben über die Zahl der Menschen, die aufgrund ihres Glaubens oder Unglaubens verfolgt werden. Wenn Christen in ihrer Religionsausübung beschränkt sind oder keine Religionsfreiheit haben, geht es meist auch gesamtgesellschaftlich um die Verletzung anderer Menschenrechte, um die Verletzung von Bewegungsfreiheit, um die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Bildung für Minderheiten.

Für das Diasporawerk der EKD, dem GAW ist es bleibende Verantwortung, Christen, die in einer besonderen Notsituation leben müssen, im Gebet und in der tätigen Hilfe solidarisch zur Seite zu stehen. Und es ist sehr wichtig, dass es bei der Bundesregierung einen Beauftragten für die weltweite Religionsfreiheit gibt, der ein differenziertes Gesamtbild darüber geben kann, wie es weltweit um das „Herz der Menschenrechte“ steht. 

Die evangelischen Kirchen in Deutschland lenken in diesem Jahr am Sonntag Reminiszere – Tag der bedrängten und verfolgten Christen – den Blick auf Belarus und die Menschen dort, die unter Verfolgung durch ein brutales diktatorisches Regime leiden.