Die Zahl der Studierenden an theologischen Fakultäten unserer Partnerkirchen nimmt in vielen Ländern ab. Wie steuern die Ausbildungsstätten dagegen?

Schon lange vor der Coronapandemie hatte die Theologische Hochschule EST in São Leopoldo in Brasilien mit der Wirtschaftlichkeit ihres Lehrbetriebs zu kämpfen. Eine Lösung war es damals, neue staatlich anerkannte Abschlüsse in Musikpädagogik und Musiktherapie anzubieten. Eine weitere Lösung ist, dass zur Finanzierung von Lehrkräften aktuell zwei kirchliche Institutionen aus dem Ausland beitragen. Die Qualität der Ausbildung ist trotz finanzieller Nöte vielversprechend: Unter den mehr als zweitausend bewerteten Hochschuleinrichtungen in Brasilien belegte die EST im Frühjahr 2021 den 14. Platz. Schon zum fünften Mal in Folge erreichte die Hochschule die Note 5 und damit die maximale Bewertung. Für den Rektor der EST, Professor Wilhelm Wachholz, sind jedoch Investitionen für die Schaffung neuer Kurse und für Ausstattung mit Informationstechnologien nötig, um weiterhin zu den führenden Bildungseinrichtungen zu gehören.

Die Lutherisch-Theologische Fakultät FLT in Mato Preto in Brasilien wendet sich wiederum stärker den Gemeinden zu, die missionarisch aktiv werden wollen, und bietet einen Fortbildungskurs zur Gemeindeerneuerung an. „Die Gemeinden merken, dass sie den Weg zu den Menschen von heute und ihren Fragen, Nöten und Hoffnungen kreativ finden müssen. Sie müssen dafür sowohl die traditionellen Formen weiterpflegen als auch neue Formate entwickeln“, so Claus Schwambach, Direktor der FLT. Fünf Gruppen mit insgesamt 302 Teilnehmenden sind schon vor der Pandemie gestartet, weitere Gruppen sind geplant. „In Zukunft werden die während der Coronapandemie entstandenen digitalen Gemeinden neben den Präsenzgemeinden weiter existieren. Wir werden stets gleichzeitig Kirche vor Ort und im Netz sein“, sagt Schwambach und sieht die Notwendigkeit, die Ausbildung entsprechend zu modernisieren: „Die theologischen Bildungsangebote müssen kurzweilig, unterhaltsam und multimedial sowie auf verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Profilen und Bedürfnissen zugeschnitten sein.“

Das evangelisch-ökumenische Seminar SET in Kuba setzt bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven auf Kooperationen. „Wir haben mindestens zwei Programme in Vorbereitung, die der theologischen Ausbildung auf dem Kontinent dienen werden: ein neues Doktorandenprogramm zusammen mit der Graduate Theological Foundation (USA) und eine Hochschule für Theologische Studien in der Karibik“, berichtet Rektor Carlos E. Ham.

In Frankreich sind laut Professor Gilles Vidal Studierende, Lehrkräfte und die protestantische Kirche aktuell dabei, mit dem Projekt „IPT perspectives 2025“ darüber nachzudenken, wie die Zukunft für die beiden protestantischen Fakultäten Montpellier und Paris aussehen könnte. Welche Ausbildung soll angeboten werden? Welche Mittel stehen zur Verfügung? „Diese Überlegungen stehen erst am Anfang, aber wir wollen da vertrauens­ und hoffnungsvoll herangehen“, so Vidal. Die Fakultät Montpellier bietet zudem seit Jahren große Publikumsvorlesungen in verschiedenen Regionen Südfrankreichs an, um das Institut besser bekannt zu machen.

In der Slowakei präsentiert sich die Evangelisch-Theologische Fakultät der Comenius­Universität intensiv auf Messen und in Social Media und bewirbt auf internationalen Online­Messen das Angebot des Theologiestudiums auf Englisch. Maros Nicak, Vizedekan für Forschung, Auslandsbeziehungen und für Entwicklung der Fakultät, sieht die ersten Erfolge: „Die Zahl der aufgenommenen Studierenden ist im letzten Jahr um mehr als 100 % gestiegen. In jedem Fall sind wir daran interessiert, Studienprogramme zu erweitern, z. B. um interkulturelle Theologie, ökumenische Theologie und biblische Archäologie. Wir betrachten die rückläufige Zahl der Theologiestudierenden als ein vorübergehendes Phänomen, auf das wir versuchen, mit modernen Mitteln zu reagieren.“

In „Evangelisch weltweit“ 1/2021 und 2/2021 haben wir in zwei Artikel über die aktuelle Lage an den Theologischen Fakultäten unserer Partnerkirchen in Europa und in Lateinamerika berichtet. Im August erscheint im Magazin 3/2021 ein dritter Bericht, der die theologische Ausbildung in Kasachstan, Russland und in der Ukraine thematisiert.
Europa: https://www.gustav-adolf-werk.de/files/gaw/ga-blatt-archiv-2/2021/2021-1_fakultaeten_EU.pdf
Lateinamerika: https://www.gustav-adolf-werk.de/files/gaw/ga-blatt-archiv-2/2021/2021-2_theol_ausbildung_la.pdf