Studierende im Gespräch an der Lutherisch-Theologischen Fakultät FLT in Mato Preto (Brasilien).
Digitalisierung hat gute Seiten, aber der direkte Austausch darft nicht auf der Strecke bleiben.

An den theologischen Fakultäten unserer Partnerkirchen in Europa und in Lateinamerika hat die Coronapandemie viel durcheinandergewirbelt. Zugleich haben die neuen digitalen Unterrichtsformen die Frage aufgeworfen: Können sie das bisher überwiegende Präsenzstudium ersetzen – und sollen sie es überhaupt? 

Zahlreiche evangelisch-theologischen Fakultäten freuen sich aktuell über den digitalen Zuwachs. Vorlesungen via Internet haben neuen Personengruppen einen Zugang zur evangelischen Theologie ermöglicht. „Wir sind im Frühjahr 2020 wegen der Pandemie ganz auf Fernunterricht umgestiegen“, so Professor Lothar Vogel, der an der Waldenser-Fakultät in Rom (Italien) die Geschichte des Christentums unterrichtet. „Das Online­Verfahren hat uns nochmals 20–30 interessierte Gasthörer gebracht, was wiederum beweist, dass die Theologie an sich mehr Anziehungskraft hat als das Pfarramt.“

An der Theologischen Fakultät Montpellier (Frankreich) wird die Fernausbildung mit rund 50–60 Studierenden schon länger angeboten und ist ein Erfolg. Für diese Studienform entscheiden sich oft Menschen, die berufstätig sind oder nach einem Sinn in ihrem Leben suchen. „15–20 % dieser Studierenden machen danach jedoch einen vollen theologischen Kurs, um Pfarrer zu werden“, betont Professor Gilles Vidal. „Das ist ziemlich ermutigend für uns und für die Kirche.“

Vor allem für ältere Studierende ist die Digitalisierung ein Segen. „Unsere Studierenden sind meist schon berufstätig. Damit haben sie mehr Zeit für ihre Familien“, sagt Daniel Codoy von der evangelisch-ökumenischen Hochschule CTE in Chile. Die Hochschule merke jedoch, dass das Fehlen persönlicher Kontakte auch Nachteile hat. „Bei allen Vorteilen, die die Technik bietet, lebt die Theologie vom direkten Austausch. Und wir müssen in Zukunft eine psychosoziale Begleitung der Studierenden anbieten, um etwas gegen Vereinsamung zu tun.“

„Eine reine digitale Theologieausbildung auf Distanz ist für junge Studierende nicht wirklich motivierend“, ist Pfarrer Daniel Beros, Koordinator der Lernplattform REET in der Evangelischen Kirche am La Plata überzeugt. „Die Mehrheit bevorzugt ein studentisches Leben und eine Gemeinschaft, die sie unterstützt.“ Deshalb soll nun ein neues Programm die akademische Ausbildung mit studentischen Gemeinschaften verbinden, die in Einrichtungen der Trägerkirchen von REET in verschiedenen Städten angesiedelt sein werden.

Für Pastor Carlos E. Ham vom Evangelischen Seminar für Theologie SET in Matanzas (Kuba) steht ebenfalls fest, dass das digitale Studieren nicht der einzige Weg werden kann: „Das Zusammenleben hat einen Wert an sich und ist notwendig für die Ausbildung zukünftiger leitender Verantwortlicher in der Kirche. Das kann die Digitalisierung nicht bieten.“ Und er weist noch auf ein weiteres Problem hin: „Der Internetzugang ist nicht für alle Menschen in allen Ländern und Regionen Lateinamerikas ein garantiertes Recht.“ 

In „Evangelisch weltweit“ 1/2021 und 2/2021 haben wir zwei Artikel über die aktuelle Lage an den Theologischen Fakultäten unserer Partnerkirchen in Europa und in Lateinamerika:
Europa: https://www.gustav-adolf-werk.de/files/gaw/ga-blatt-archiv-2/2021/2021-1_fakultaeten_EU.pdf
Lateinamerika: https://www.gustav-adolf-werk.de/files/gaw/ga-blatt-archiv-2/2021/2021-2_theol_ausbildung_la.pdf