Am kommenden Sonntag Reminiszere denken wir an verfolgte und bedrängte Christinnen und Christen weltweit

Pfarrerin Mathilde Sabbagh arbeitet in der evangelischen Gemeinde
in ihrer Heimatstadt Hassakeh in Syrien. Es ist das Land, in dem Apostel Paulus bekehrt wurde und in dem die Selbstbezeichnung „Christen“ entstand. Heute sind
die christlichen Gläubigen hier nur eine kleine Minderheit unter Muslimen und
immer wieder in ihrer Existenz bedroht. Am kommenden Sonntag Reminiszere wollen
wir an sie erinnern und für sie beten.

Was bedeutet es für dich, Pfarrerin in Syrien zu sein?

Für mich soll die Gemeinde ein Hoffnungsraum sein. Die
Menschen sollen merken, dass es hier gemütlich und zugleich spirituell ist. Sie
sollen das Gefühl haben, dass sie in dieser Kirche sie selbst sein können, alle
Fragen stellen und mitanpacken können. Ich möchte den Kindern beibringen, dass
die Wunder aus der Bibel nicht nur vor 2.000 Jahren stattgefunden haben! Gott
ist immer noch bei ihnen und gibt ihnen Essen, Wasser, Kleidung und Bildung.
Das ist die Rolle der Kirche! Ja, wir sind sehr klein. Aber Jesus hatte auch
nur zwölf Jünger, oder?

Im Moment kann ich kein Licht am Ende des Tunnels sehen.
Aber ich weiß, dass die Not ein Ende haben wird. Ich wünsche mir die Kraft,
durchzuhalten. Ich will nicht weggehen, aber ich brauche auch Mut, um zu
bleiben. Dabei hilft es mir, nicht an meine eigenen Bedürfnisse zu denken,
sondern an die der anderen. Die Kirche ist dazu berufen, für die Menschen da zu
sein.

Wenn ich wirklich niedergeschlagen bin, denke ich, dass ich
auch das Land verlassen sollte. Ich habe zwei kleine Töchter, für deren Zukunft
ich sorgen muss. Wenn sie älter sind, werden sie mir vielleicht Vorwürfe
machen: Es war deine Berufung zu bleiben, aber nicht unsere! Manchmal ist es
wirklich viel. Aber ich fühle mich nicht überwältigt von der Arbeit – nur von
der Not der Menschen. Mit meinem Dienst als Pfarrerin bin ich sehr glücklich.
Wenn ich eine Idee habe, kann ich sie umsetzen. Die Gemeindeältesten geben mir
große Freiheit und helfen mir, wo sie können.

Welche Worte oder Personen aus der Bibel geben dir Kraft?

Das Jesuswort „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben
und es in Fülle haben“ (Joh 10,10) hängt über meiner Tür. Ich sehe es immer,
wenn ich nach Hause komme. Das spricht direkt in unsere Situation hinein: Das
Leben ist in Fülle vorhanden und niemand kann es stoppen.

Ich fühle mich dem Apostel Paulus sehr verbunden. Obwohl ich
verheiratet bin, würde ich sagen, dass ich ihn liebe! (lacht) Ich kann mich gut
in ihn hineinversetzen, wenn er sagt: „Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber
wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden
Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir
kommen nicht um.“ (2 Kor 4,8-9). Das Beispiel von Paulus zeigt mir, dass es
Menschen gab, die noch Schlimmeres durchmachen mussten als ich. Ich war nicht
im Gefängnis und wurde nicht gesteinigt. Die Apostel sind Glaubenshelden für
mich. Sie geben mir die Kraft, zu sagen: Ich schaffe das.

Pfarrerin Mathilde Sabbaghs Kinder- und Jugendarbeit schafft
einen Hoffnungsort für einige Hunderte Kinder und junge Menschen, die in ihrem
Leben nur Krieg kennen. Die Frauenarbeit im GAW unterstützt diese Kinder- und
Jugendarbeit mit ihrem Jahresprojekt 2021.