Sonia Skupch ist Generalsekretärin der
Evangelischen Kirche am Rio de la Plata (Argentinien, Uruguay und Paraguay). Sie schreibt, was Frauen in ihrer Kirche in der
Corona-Krise erleben:

Frauen tragen
in dieser Zeit mehr Verantwortung

Natürlich
erleben Frauen in unserer Kirche die Situation sehr unterschiedlich: Wir haben
Bäuerinnen, Hausfrauen, berufstätige Frauen, Lehrerinnen usw. Aber im
Allgemeinen beobachten wir eine Zunahme der Verantwortlichkeiten und Aufgaben
von Frauen: Zu der üblichen Arbeit im Beruf und im Haushalt kommen nun noch die
Betreuung der Kinder und die Begleitung bei den Schulaufgaben hinzu. Meistens übernehmen
das die Mütter. Arbeitsraum und Computer werden oft von den Eltern und Kindern
gemeinsam genutzt, was zusätzlichen Stress verursacht. Dies alles führt zu
größerer Erschöpfung und Müdigkeit bei Frauen.

Häusliche
Gewalt nimmt zu

Auf
Grund der Isolation und wirtschaftlichen Probleme der Familien haben die innerfamiliären
Spannungen und die häusliche Gewalt zugenommen. Auch die Zahl der Morde an
Frauen ist angestiegen. Es gibt zwar von staatlichen Stellen Hilfetelefone für
Frauen und verschiedene Nichtregierungsorganisationen bieten Unterstützung an.
Diese Initiativen sind jedoch oft unzureichend. Insbesondere die Pfarrerinnen
und Pfarrer der IERP schauen in ihren Gemeinden genau hin, um Gewalt zu wahrzunehmen
und zu verhindern.

Arme Menschen
sind existentiell bedroht

Die
Besorgnis über die wirtschaftliche Situation ist sehr groß. Ungefähr 45% der
argentinischen Erwerbsbevölkerung lebt von informeller Arbeit (Paraguay hat
ähnliche oder höhere Zahlen). Diese Menschen verdienen nichts, wenn sie nicht
arbeiten. Die Nothilfe des Staates ist eindeutig unzureichend. Besonders für
Frauen, die alleinerziehend sind oder deren Ex-Partner sich nicht um die Kinder
kümmern, stellt diese Situation eine zusätzliche Belastung dar.

Nicht alle
Frauen haben Zugang zu Technologie und digitalen Gottesdiensten

Der
Kommunikationsbereich der IERP, aber auch die Distrikte und Gemeinden haben zahlreiche
gottesdienstliche und katechetische Angebote ins Netz gestellt. Damit haben sie
wirklich eine erstaunliche Kreativität und Anpassungsfähigkeit bewiesen. Viele,
vor allem junge Frauen sind daran beteiligt. Aber es ist auch eine Realität, dass
man dafür Internetzugang, technische Geräte und die Fähigkeit, sie zu benutzen,
benötigt. Die Voraussetzungen bei den Frauen sind sehr unterschiedlich: Einige sind
in sozialen Netzwerken sehr aktiv während andere nicht wissen, wie man ein
Handy bedient. Die gegenwärtige Situation hat in gewisser Weise den ungleichen
Zugang zu Technologie ans Licht gebracht und gezeigt, wie wohl sich Frauen
wirklich damit fühlen.

Viele
Frauengruppen sind diakonisch sehr engagiert

Die mit Hilfe des Jahresprojekts für 2020 geplante große Frauenkonferenz musste auf das nächste Jahr verschoben werden. Viele
unserer Frauen sind jetzt

Frauentreffen in einer Kirche in Argentinien

diakonisch sehr aktiv, sei es bei der Anfertigung von Masken
für unsere diakonischen Einrichtungen, beim Einkauf für Ältere, dem Telefonieren
mit einsamen Menschen oder bei der Verteilung von Lebensmitteln. Letztere
wurden von den Notfallkomitees der Gemeinden und der Diakonie-Stiftung „Hora de
Obrar“ zur Verfügung gestellt. Pfarrerinnen und engagierte Laienfrauen haben
darüber hinaus eine Telefonseelsorge eingerichtet. Sie ist für Frauen da, die
sich überfordert und deprimiert fühlen, Luft ablassen müssen oder einfach jemanden
zum Zuhören brauchen.