Professor Sándor Fazakas |
Professor Dr. Dr. h.c. Sándor Fazakas, Lehrstuhl für Sozialethik und Kirchensoziologie an der Reformierten Theologischen Universität in Debrecen schreibt über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die theologische Lehre, die Kirchen und die Politik in Ungarn:
„Uns geht es hier in Debrecen gut. Es gibt kaum Infektionen. Die Regelungen für soziale Kontakte und die Hygiene-Vorschriften sind aber streng. Unsere Universität arbeitet wie alle Universitäten in Ungarn seit Anfang April online. Bis zum 15.05. haben wir Vorlesungszeit, dann beginnt die Prüfungszeit. Die mündlichen Prüfungen werden als Online-Videoprüfungen durchgeführt – nur das Abschlussexamen und fällige Promotions-Rigorosen und Promotionszwischenprüfungen werden unter strengen Regelungen (Abstand usw.) in einem kleinen Examensausschuss im engeren Kreis durchgeführt. Nur: Fast die Hälfte unserer Studierenden kommen aus den Nachbarländer Rumänien und Ukraine, von den ungarischsprachigen Minderheiten und Kirchengemeinden Siebernbürgens und Transkarpatiens. Wenn der Grenzübergang nicht möglich sein wird, müssen wir uns auch in diesen Fällen mit Onlinevideoprüfung abfinden. Mit dem Unterricht per Videokonferenz haben wir gute Erfahrungen – wir werden überlegen, ob wir einige Elemente davon auch in der Zukunft nach dieser Krisenzeit beibehalten werden (besonders bei den Fernstudierenden).
Seit gestern gibt es im öffentlichen Leben und Wirtschaftsleben (außerhalb Budapest und Umgebung) Lockerungen unter strengen Auflagen – die reformierten Kirchen werden aber weiterhin geschlossen bleiben (laut der Empfehlung der Bischöfe). Pfarrerinnen und Pfarrer versuchen während dieser Zeit der Pandemie via Internet Gottesdienste zu streamen – hier sind die Unterscheide an Möglichkeiten und Qualität enorm groß, da alle darauf unvorbereitet waren.
Was eine große Herausforderung sein wird: Wie werden Kirchengemeinden sich finanzieren können? Es gibt in Ungarn kein Kirchensteuersystem. Kirchengemeinden erwirtschaften die Pfarrstellen und dne Unterhalt von Gebäuden aus Kollekten und freiwillige Spenden. Das war bisher auch nicht einfach, auf Grund der wirtschaftlichen Krise, der Arbeitslosigkeit. Durch die Pandemie gehen die Einnahmen noch weiter zurück. Da sehen wir einer ungewissen Zukunft entgegen.
Überhaupt: Ich bin selber gespannt, wie wir theologisch und praktisch diese Erfahrungen auswerten, da es bisher keine Foren dafür gibt (obwohl viele Kollegen das Bedürfnis danach haben)… Ich wünsche mir eine bessere Diskussionskultur über solche Fragen.
Wie die Leistung und Arbeit der ungarischen Regierung und der Behörden bewertet wird, das wird kontrovers wahrgenommen: Entweder herrscht eine fraglose Loyalität oder bittere Kritik. Letztere kann nicht so laut artikuliert werden, da es dafür wenige Kanäle gibt. Die meisten Akademiker und Intellektuellen sind wegen des Ermächtigungsgesetzes der Orban-Regierung äußerst enttäuscht und deprimiert… Mit Unverständnis und Ohnmacht müssen sie zusehen, wie ein nüchterner Dialog auf fachlicher Ebene zwischen politischen und anderen Akteuren des öffentlichen Lebens einfach fehlt. Die etablierten Kirchen und Kirchenleitungen sind auch unkritisch. Die Gründe dafür sind offensichtlich. Nur wenige Theologen und Kirchenmitglieder trauen sich einen kritischen Diskurs über die Lage zu führen. Ich selber gehöre zu denen, die versuchen die Lage analytisch einzuordnen.“
Kommentare
Varga László sagt:
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