Lebensmittelhilfe der Diakonie Kosovo |
Die GAW-Frauenarbeit hat vor zwei Jahren den landwirtschaftlichen Betrieb der Diakonie im Kosovo unterstützt. Vom Leiter der Diakonie Bernd Baumgarten erreichte uns ein Brief zur aktuellen Situation:
„Die Pandemie hat auch vor dem Kosovo nicht Halt gemacht. Vor ca. 4 Wochen meinten noch viele, der Kosovo wäre nicht betroffen. Ständig wurde kolportiert: „Wir haben noch keinen Fall!“. Auch ging die Rede um, jetzt zeige sich die positive Seite der fehlenden Visafreiheit. Da man nicht leicht reisen könne, könne man sich auch nicht anstecken. Wir sehen jetzt, dass es jetzt doch ganz anders kam.
Wie zu erwarten, gibt es auch hier Infizierte und Tote.
Das Gesundheitssystem, vorher sehr rudimentär, ist jetzt überfordert. Tests sind nur in der Uniklinik in Prishtina möglich und werden nur bei starkem Verdacht durchgeführt, „da sie teuer sind“. So laufen Infizierte durchs Land, die noch keine Symptome haben und andere anstecken. Durch die seit 20 Jahren fehlende Krankenversicherung ist es eher so, dass Menschen nur mit wirklich schweren Erkrankungen zum Arzt gehen. Geht man ins Familienzentrum, eine Art Poliklinik, dann muss man die Medikamente danach kaufen. Geht man zum privaten Arzt, muss der bezahlt werden und die Medikamente auch noch. So gehen zum Beispiel Arme, Arbeitslose oder Tagelöhner nicht zum Arzt und warten ab, dass es vielleicht besser wird.
Es ist unmöglich Atemschutzmasken zu kaufen, oder Apotheker verlangen absolut überhöhte Preise. Eine Kollegin musste pro einfache Maske 5€ bezahlen. Sie erhielt keinen Kassenbon, so konnte sie sich nirgends beschweren. Wir nähen jetzt eigene Masken für die Mitarbeiter und das staatliche Familienzentrum in Mitrovica. Dort haben sie auch Maskenknappheit und baten um Hilfe.
Das Diakonie Training Center, den Kindergarten, die Sprachschule, das Jugendzentrum und das Psychosoziale Zentrum für Traumatherapie mussten wir schließen.
Der Kindergarten unterrichtet die Vorschüler jetzt online. Das Psychosoziale Zentrum berät alle Klienten online. Viele berichten von Angstzuständen und sind froh, dass sie mit einem Therapeuten reden können. Alle Festnetzanschlüsse (sechs an der Zahl) sind werktäglich besetzt. So können wir schnell auf Notlagen reagieren.
Seit über 3 Wochen sind nun alle Geschäfte, außer Lebensmittelläden und Apotheken, alle Cafés und Restaurants geschlossen.
Das öffentliche Berufsleben ruht weitgehend. Wo aber nicht gearbeitet wird, da werden auch keine Umsätze gemacht. Tausende Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt und erhalten keine Löhne. Wer konnte, hat schnell Grundnahrungsmittel wie Mehl, Öl, Nudeln eingekauft. Wer kein Geld hat und das sind nicht nur die Minderheiten, der lebt von Resten oder muss betteln. Armut nimmt jetzt auch unter denen zu, die vorher einen kleinen Lohn hatten und zumindest über die Runden kamen. Zeitweise war Mehl ausverkauft.
Wir haben an alle Rückkehrer, die vor dem Balkankrieg geflohen waren, die in Not waren, noch schnell etwas Mehl verteilt. Wir bekommen täglich Anrufe/Bitten um Hilfe.
Gebraucht werden Lebensmittel, Milchpulver (Säuglinge), Medikamente und Desinfektionsmittel.
Unsere Rückkehrberater fahren täglich raus und helfen im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Um die Krise noch zu vergrößern, haben skrupellose und menschenverachtende Politiker eine zusätzliche innenpolitische Krise ausgelöst und den Ministerpräsidenten durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Albin Kurti, ein absolut integrer, engagierter und hochgebildeter Politiker war gerade einmal sechs Wochen im Amt. Er ist gewählt worden, um Korruption und Vetternwirtschaft zu beenden. Hintergrund der Tragödie ist u. a. der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister.
Eine unrühmliche Rolle spielen auch der amerikanische Präsident und sein Sondergesandter für den Balkan, Grenell. Trump benötigt einen außenpolitischen Erfolg und will eine Vereinbarung zwischen Serbien und dem Kosovo erzwingen. Dazu soll ein Landtausch zwischen Serbien (Preshevo) und dem Norden des Kosovo erfolgen. Einen Plan, den der serbische Präsident Vučić und der kosovarische Präsident Thaçi schon lange propagieren.
Zudem hatte Thaçi dazu aufgerufen, die Maßnahmen der Regierung der Corona-Pandemie zu ignorieren.
Sechs Monate nach der letzten Wahl und nach wenigen Wochen engagierter Regierungsarbeit hat der Koalitionspartner (Lidhja Demokratike e Kosovës – Demokratische Verbindung Kosovos) die gemeinsame Regierung gestürzt. Hier nun ein Satz aus der Frankfurter Rundschau vom 26.03.20: „Trumps Balkangesandter Grenell bringt für seinen Chef eine Regierung zu Fall“.
Ein Ereignis auf unserem Gelände hat mich vor zwei Tagen sehr berührt.
Wir haben vor dem Umweltzentrum einen wilden Mirabellenbaum stehen. Er wächst, wie er will, kreuz und quer und wurde noch nie beschnitten. Jedes Jahr trägt er Früchte über Früchte. So haben wir wunderbares Obst für unser „heiliges“ Diakoniewasser. Und nun, als wenn es keine Krise gäbe, blüht er und blüht von Tag zu Tag. Für mich ein schönes Zeichen der Hoffnung!“
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