Andacht mit den Menschen der Strasse

„Hier ist das Haus Gottes. Hier bin ich zu Hause“ – singt am Freitag Nachmittag eine besondere Gottesdienstgemeinde im Kirchhof der Lutherkirchengemeinde in São Paulo. 150 Menschen haben sich versammelt. Die meisten sind Männer. Obdachlose – ohne zu Hause. Menschen der Strasse. Ab 13 Uhr kommen sie langsam an. In das zu Hause, das auch ihnen gehört. Sie können sich duschen, die Sanitäranlagen der Kirchengemeinde benutzen. „Es gibt in ganz São Paulo keine öffentlichen Toiletten!“ sagt empört Pastor Federico Ludwig. Vor 20 Jahren begann er im Stadtzentrum der Millionenmetropole mit der Obdachlosenarbeit. Als er Pastor der

Essensausgabe 

Gemeinde wurde, da sagte man ihm: „Hier ist ein Schachtel mit Münzen. Du kannst den bettelnden Obdachlosen etwas geben. Dann sind sie weg und stören nicht mehr.“ – „Das war der Anstoß für mich, dass sich was ändern musste im Gemeindeleben!“ sagt er mit einem Lächeln. Er begann samstags die Tore zum Kirchhof zu öffnen. „Wir luden unsere Brüder der Straße ein, um mit ihnen zu sprechen und ihre Geschichten zu hören. Es begann mit 3, 4 Männern.- Frauen der Strasse trauen sich wohl nur wenige – dann wurden es langsam immer mehr. Es sprach sich herum, dass hier ein friedlicher Ort war zum Ausruhen, Zuhören und gemeinsamem Essen,“ erzählt Federico. „Irgendwann fragte mich einer: Warum beten wir nicht mal.“ So begann Federico seine Freitagnachmittage vor der Essensausgabe mit einer kleinen Andacht. Das gehört zum Programm. Viele machen mit, beten das Vaterunser und sind dankbar, dass sie gesegnet werden. Hier ist ihr zu Hause! In der halb zerstörten Kirche

steht über dem Altarraum: „Gott – du bist meine Zuflucht für und für!“ Das erleben die Menschen der Strassen São Paulos hier an diesem Ort – bis dahin, dass sogar ihre Papiere, Dokumente und Urkunden sicher im Gemeindebüro verwahrt werden. Von 300 Obdachlosen sind diese Dinge gut

Dokumente der Obdachlosen

aufbewahrt, dass sie nicht verloren gehen.

Und dann erzählt Federico: „Das Bewegendste nach der Zerstörung unserer Kirche war, dass viele Gemeindemitglieder fragten: Wann und wie können wir denn jetzt unseren Geschwistern von der Strasse unseren Kirchhof öffnen? Sie fragten nicht zuerst, wann wir die Kirche wieder aufbauen. Da habe ich gespürt, dass diese Arbeit zur Identität unserer Gemeinde gehört. Und genauso soll es sein! Das ist unsere Mission im Herzen São Paulos!“