Gesprächsrunde im Café Lutero mit Gemeindemitgliedern der Emmausgemeinde

 

„Vor einem Jahr, als das Plebiszit über den Friedensvertrag zwischen Regierung und FARC anstand, erlebte ich, wie der Pastor meiner damaligen charismatisch-evangelischen Gemeinde in einem Gottesdienst  laut betete, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Friedensvertrag ablehnen möge“, berichtet eine junge Frau im Café Lutero der lutherischen Emmausgemeinde. Paula gehört nun seit über einem Jahr zur lutherischen Kirche. „Ich war schockiert, denn ich will Frieden in Kolumbien, auch wenn der Friedensvertrag unvollkommen ist.“ Sie erzählt, dass in ihrer Familie etliche beim Militär sind: „Mein Vater ging dahin, weil er keine Arbeit fand. Mein Bruder ist bei der Marine. Beide lehnen den Friedensvertrag ab.“ In
ihrer Familie kann sie nicht über die politische Situation reden. Zu
unterschiedlich sind die Meinungen – und schnell gibt es Streit. 
Und sie fügt hinzu: „Im Militär gibt es viele, die auf die Zuschläge nicht verzichten wollen, die es während des Krieges gab.“

Paula berichtet darüber in dem offenen Treff, dem Café Lutero der kleinen lutherischen Gemeinde in Medellin, zu dem 15 Teilnehmer gekommen sind. Paula hatte sich nach diesem für sie schockierenden Gottesdienst auf die Suche nach einer evangelischen Gemeinde gemacht, die den Friedensprozess unterstützt. „Es hat gedauert,“ sagt sie. „Viele evangelische Kirchen sind sehr konservativ – und gerade diese lehnen die Friedensvertrag ab.“ Über das Internet hatte sie keinen Erfolg, bis sie zufällig von der kleinen lutherischen Gemeinde in Medellin erfuhr.

Das Café Lutero soll Raum zu offenem Austausch geben. Es geht um Dialog und gemeinsames Abwägen der Positionen. Das alles findet im „Casa de Paz“ statt. So nennt sich das Gemeindezentrum, in dem sowohl der Pastor lebt als auch alle Gemeindeveranstaltungen stattfinden. Aber die „Casa de Paz“ will mehr sein. Es ist ein Konzept. „Wir wollen Friedensstifter sein!“, betont Pastor John Hernandez. „Wir wollen Friedensprozesse unterstützen, Gewalt überwinden und Menschen dabei helfen, sich als Menschen zu sehen, die es schaffen, sich nicht mehr als Feinde zu sehen.“ Deshalb finden Workshops in besonders gefährdeten Stadteilen wie der Comuna 13 statt. „Wir wollen draußen zeigen, was wir innen glauben – dass Gott uns befreit, auch von der Gewalt, die sehr tief die kolumbianische Gesellschaft geprägt hat“, so John Hernandez.

Das derzeitige Gebäude von „Casa de Paz“ ist gemietet. Es soll nun ein eigenes Gebäude angeschafft werden. Dafür will das GAW drei Jahre lang Spenden sammeln.