Reformierte Kirche in St. Cloud / Paris

„Ein entscheidender Einschnitt in der Beziehung zwischen Staat und Kirche in Frankreich war das Laizitäts-Gesetz von 1905“, erzählt Pfarrerin Agnes von Kirchbach von der Reformierten Gemeinde in St. Cloud – einem Vorort Paris. „Dieses Gesetz trennt Staat und Kirche streng voneinander. Und im Grunde war es nach der Französischen Revolution der zweite entscheidende Schritt die Macht der katholischen Kirche zu brechen. Das traf dann auch die Protestanten“, fährt sie fort. „Damals gab es sehr große Spannungen und Konflikte um dieses Gesetz. Man wollte die im 19. Jahrhundert wieder stärker werdende Macht der katholischen Kirche brechen und sie aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens vertreiben – vor allen Dingen aus dem Bildungsbereich. Desweiteren wurden die Kirchen enteignet.“

Immer noch genießt das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat Umfragen zufolge hohe

Pfarrerin Agnes von Kirchbach

Akzeptanz in der französischen Bevölkerung. Zwei Regelungen sind dabei zentral: Artikel 1 garantiert jedem Bürger die ungehinderte Ausübung seiner Religion im Rahmen der öffentlichen Ordnung. Artikel 2 schreibt vor, dass der französische Staat Religionsgemeinschaften weder anerkennt, finanziert noch subventioniert. Mit anderen Worten: Religionsfreiheit wird garantiert, aber in das rein Private verschoben. Religionsgemeinschaften dürfen an gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen sich nicht aktiv beteiligen. „Auch diakonische Aufgaben müssen entsprechend privatrechtlich geregelt sein. Kirche kann und darf nicht wie in Deutschland an den Aufgaben des Staates partizipieren“, so Agnes von Kirchbach. „D.h. man muss sehr aufpassen, was man als Kirche macht, wie man es macht und wie man nach aussen wirkt. Unser prophetisches Amt als Kirche ist dadurch beschnitten!“ Und sie fährt fort: „In Frankreich wäre es auch undenkbar, dass der Staat den Religionsgemeinschaften seine Verwaltungsstrukturen zur Erhebung von Mitgliedsbeiträgen in Form von Kirchensteuern zur Verfügung stellt. Denn das Verständnis vom Wesensprinzip der Laizität bedeutet nicht nur die strikte organisatorische Trennung von Staat und Kirche, sondern auch die unbedingte Neutralität des Staates in puncto Religion.“ Es bedeutet auch das Fernhalten von religiösen Bezügen aus dem öffentlichen Raum. Entsprechend gibt es in Frankreich keinen Religionsunterricht. „Es gibt deshalb sehr viele religiöse „Analphabeten“ in Frankreich“, so von Kirchbach. Das Tragen von religiösen Symbolen wie Kreuz, Kippa oder Kopftuch ist Schülern z.B. auf dem Schulgelände untersagt. Der neutrale öffentliche Raum soll verhindern, dass persönliche Vorlieben zu Bevorzugung oder Benachteiligungen führen. Und garantieren, dass sich niemand durch die religiöse Bekundung Dritter gestört fühlt. 

Bei den Diskussionen um den Islam wird natürlich auch über dieses Gesetz diskutiert. Letztlich finden aber Vertreter einer flexiblen Interpretation des Laizitätsprinzips nur wenig Gehör. Bislang plädieren sie ohne nennenswerte Resonanz dafür, die friedenstiftende Wirkung des 1905 erzielten historischen Kompromisses stärker zu betonen und die bereits seit langem praktizierte doppelte Ausrichtung der Religionspolitik des französischen Staates endlich auch offiziell anzuerkennen.

„Dennoch finden immer wieder Suchende auch zu unseren reformierten Gemeinden,“ berichtet von Kirchbach. Sie hat in ihrer Gemeinde eine Gruppe von ca. 30 jungen Erwachsenen. „Mindestens 1/3 von ihnen sind religiös ohne Vorkenntnisse. Es ist wunderbar diese Suchenden zu begleiten. Und es zeigt: Religion gehört zum Menschsein dazu und läßt sich nicht ausgrenzen.“

1905 wurde in Frankreich das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat verabschiedet, für das sich insbesondere der damalige Abgeordnete und spätere MinisterpräsidentAristide Briand eingesetzt hatte. Die Auswirkungen der Dreyfus-Affäre führten nach heftigen Auseinandersetzungen in Frankreich zu einer parlamentarischen Mehrheit für die neue Gesetzgebung. Damit fand das von Buisson geschaffene Prinzip erstmals konsequent Anwendung. Der Begriff laïcité wurde aber erstmals in der Verfassung von 1946 verwendet. Demnach ist Frankreich eine laizistische Republik (république laïque).