Am 8. April wird in jedem Jahr der Weltromatag gefeiert, um darauf hinzuweisen, dass Roma Jahrhunderte lang verfolgt und diskriminiert wurden und es immer noch werden. Besonders ist an die
Ermordung von 500.000 Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten zu
erinnern. Am
8. April 1971 fand der erste Weltromakongress statt. Dabei wurde auch die Flagge der Roma
beschlossen.
Viele Roma sind in den Ländern, in
denen sie leben, Anfeindungen bis hin zu Gewalt und täglicher
Diskriminierung ausgesetzt. Das ist auch in Rumänien der Fall, wo Roma bis 1856 zur Arbeit als Sklaven gezwungen wurden. Noch heute haben sie im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt meist keine Chance. Deshalb wohnen sie
häufig in Elendsvierteln am Rande der Dörfer und Städte, manche auf Müllkippen. Drei Viertel leben laut
Statistiken in Armut, in der restlichen rumänischen Bevölkerung ist es knapp ein
Viertel. Eine feste Arbeit haben nur zehn Prozent, wobei darunter Rechtsanwälte, Ärzte und Wissenschaftler sind. Die
Lebenserwartung liegt für Roma mit 52 Jahren 16 Jahre unter dem
Durchschnitt der rumänischen Bevölkerung. Die Kindersterblichkeit
ist dreimal höher. Nur die Hälfte hat eine Krankenversicherung, während in
der restlichen Bevölkerung vier Fünftel krankenversichert sind.
Anita Marcu ist 21 Jahre alt und vor
zwei Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland gezogen. Hier hat sie
bereits Arbeit gefunden, was sie in Rumänien nicht geschafft hat. Von ihrem
Leben dort erzählt sie: „Wir, meine Eltern, meine zwei
Brüder, mein Mann und meine Tochter, lebten in einem kleinen Haus. Die
meisten Roma in der Stadt, in der ich gelebt habe, haben ihr Geld mit
Altmetallsammeln verdient. Wir haben das Metall mit einem Pferdewagen von
den Kunden abgeholt, zu Hause nach Metallsorten sortiert und dann
zur Sammelstelle gebracht. Dort haben wir ein paar Cent pro Kilo
bekommen. Aber das war keine sichere Einnahmequelle: An einem Tag
findest du etwas, an einem anderen nichts. Du weißt nicht, was
morgen oder übermorgen ist“, erinnert sie sich. Sie will auf keinen Fall in die Armut zurück.
Mircea Balan wohnt nun ebenfalls mit
seinen vier Kindern und drei Enkelkindern in Deutschland. Der
34-Jährige denkt lange nach, vielleicht darüber, wie man dieses ganz andere Leben in wenigen Sätzen beschreiben kann und erzählt dann: „Wenn wir uns waschen wollten, holten wir das Wasser von einer Pumpe auf der Straße und erwärmten es über einem
Holzfeuer. Das Holz dafür erhielten wir von Förstern, für die wir
im Gegenzug im Sommer Hagebutten sammelten. Nur durch diesen Tausch
konnten wir überhaupt über den Winter kommen. Hagebuttenäste haben
Dornen, wir mussten deshalb beim Sammeln Handschuhe tragen. Das Essen bezahlten
wir vom Kindergeld – insgesamt hatten wir damit 60 Euro. So haben wir gelebt und überlebt. Wir sind wegen der Armut
aus Rumänien weggegangen. Wir hatten kein Geld und zu wenig Essen. Nach
der Revolution haben wir manchmal als Tagelöhner auf dem Bau oder in
der Reinigung gearbeitet. Aber sie haben uns immer getäuscht und uns
nur die Hälfte des vereinbarten Lohns gegeben. Roma gehen oft nicht zur Schule, deswegen finden sie keine Arbeit und dann sind sie arm. Ich war auch nicht in der Schule. Meine Eltern waren damals leider mit anderen Dingen beschäftigt.“
Adriana Mitu lebte zusammen mit ihrem
Mann und ihren zwei Kindern in einem Zimmer im Haus ihrer
Schwiegereltern. Der tägliche Verdienst von 10 Euro aus dem Verkauf
von Gemüse reichte für die Familie nicht aus, um sich eine eigene
Wohnung zu leisten. Den Unterschied zwischen Rumänen und Roma
kann sie deshalb genau beschreiben: „Als Rumänin findest du
Arbeit, ziehst keine langen Röcke an, sammelst kein Altmetall. Roma
dagegen sammeln Altmetall, verkaufen Gemüse und leben in Armut. Es
hat mir nie gefallen so zu leben.“ Cristina Stoica, die 37 Jahre alt ist, hat ebenfalls
vom Gemüseverkauf gelebt, eine harte Arbeit in der Hitze
Südrumäniens, sagt sie. Die aufgeweckte und lebendige Frau war in Rumänien nicht in der Schule
und kann nicht lesen und schreiben. In ihrer
Kindheit arbeiteten ihre Eltern jeden Tag von 5 bis 15 Uhr in der
Straßenreinigung. „Hätten sie uns um 4 Uhr wecken und für die
Schule vorbereiten sollen? Das wäre viel zu früh gewesen. Viele
Roma haben solche existentiellen Probleme, dass sie nicht an die
Zukunft denken können. Roma sind immer am
niedrigsten. Ich wollte nicht mehr niedrig sein.“
Wir dürfen Roma nicht vergessen. Wie diese vier jungen Menschen erfahren sie in allen Ländern Europas Rassismus und Ausgrenzung. Die Politik in Europa darf die Ursachen der Armut
nicht länger bei den Betroffenen suchen, sondern muss armen Menschen
echte Chancen bieten, ihre Situation verbessern zu können. Viele
Menschen in der Mehrheitsgesellschaft haben Vorurteile gegenüber Roma und verweigern ihnen damit eine faire Behandlung. Aufklärung in der
Mehrheitsgesellschaft tut also not.
Das GAW unterstützt mit der
Konfirmandengabe 2016 junge Roma in Rumänien dabei, Erfolge in der
Schule zu haben und so ihre Träume für ihr Leben verwirklichen zu
können:
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